Dienstag, 17. Juni 2014

Spanien sucht das Leck


Langweilig! Spanien ist schon wieder im Finale. Doch halt! So langweilig ist das gar nicht, denn es ist nicht das Finale, auf das alle Mannschaften hinspielen, sondern ein ganz individuelles Finale. Wenn der Weltmeister gegen Chile verliert, ist er draußen. Gewinnt er, wird vom berühmten blauen Auge und dem Davonkommen die Rede sein. So oder so sind die Spanier den Nimbus der Unbesiegbarkeit erst einmal los.


Und das ging schnell. Etwa 45 Minuten haben die Niederländer gebraucht, um das Römische Weltreich im Fußball des letzten Jahrzehnts aus den Angeln zu heben. Eine Halbzeit war genug, schon steht ein Fragezeichen hinter der Eignung einiger spanischer Nationalspieler für das Turnier in Brasilien. Das ist mit Sicherheit zu hart geurteilt, doch scheint das Gesamtkonstrukt nicht mehr zu passen.

Iker Casillas ist unbestritten ein sehr guter Torwart. Oder sind wir schon an dem Punkt angekommen, an dem wir sagen müssen, er war ein sehr guter Torwart? Im Champions-League-Finale hat er schon gepatzt, jetzt erneut bei der WM. Passiert noch etwas gegen Chile, dürfte seine Zeit abgelaufen sein. Pique und Ramos hingegen, die die schwärzesten Tage ihrer Karriere terminlich geschickt koordiniert und gemeinsam auf den vergangenen Freitag gelegt haben, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit in die Spur zurückfinden.

Das Mittelfeld ist schwer zu beurteilen, weil es das macht, was es immer macht. Es passt – leider nur noch im Sinne von: es spielt Pässe. Doch kann man Xavi & Co. einen Vorwurf machen? Wenn es etwas Konkretes zu bemäkeln gibt, dann das höchst paradoxe Sturmproblem der Spanier. Sie schaffen es einfach nicht, einen Neuner so einzubinden, dass er ihrem nicht enden wollenden Ballbesitz Durchschlagskraft verleiht.

Fernando Torres ist schon so lange der Ritter der traurigen Gestalt, dass es nicht weiter auffiel, wenn er auch in der Nationalmannschaft nicht sonderlich inspiriert wirkte. Doch jetzt kommt ein Meister und Champions-League-Finalist, der so besessen vom Erfolg ist, dass er nicht einmal davor zurückschreckt, herzhaft in eine Pferdeplazenta zu beißen. Diego Costa wirkte zwischen den Silvas und Xavis und Iniestas derart deplatziert, dass die ausdauernden Pfiffe der Brasilianer für ihn noch das kleinste Übel waren. Spanien hatte seit langer Zeit den besten Stürmer auf dem Feld – und zeigte die dezenteste Offensivleistung seit langem. Ein unberechtigter Elfmeter war ihr einziges Tor.

Das Spiel der Spanier erinnert an ein großes Schiff, das irgendwo ein unauffindbares Leck hat. Die Maschinen sind geölt, kein sichtbarer Rost am Stahl, die Matrosen motiviert, der Kapitän erfahren. Doch das blöde Loch ist nicht zu finden. Und so läuft das Schiff langsam voll und geht unter und so niemand kann präzise erklären, warum eigentlich. Man wird sagen, das Schiff hatte nun einmal ein Alter erreicht, in dem das passieren kann. Und dann wird die Akte geschlossen. Ära vorbei.

Doch warten wir mit dem Abgesang. Zwei Siege gegen Chile und Australien, dann können die Spanier im Showdown gegen Brasilien mit einem Mal alles wieder gutmachen. Dann werden es die „alten Recken“ noch einmal allen gezeigt haben und mit einem Mal zum Favoriten aufsteigen. So schnell, wie die deutsche Mannschaft zum Topfavoriten wurde, können das auch die Spanier schaffen. Auch wenn die Hypothek der Spanier nun größer ist als der üblich präweltmeisterschaftliche Pessimismus in Deutschland.

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