Freitag, 3. Mai 2013

Spanien und Schottland, Typ B und Typ D


Wenn ein Verein in der Bundesliga nach vier Spielen ein Torverhältnis von 11:3 hat, dann hat dieser Verein meist viel richtig gemacht. Nun waren es in den hinter uns liegenden zwei Wochen zwei Vereine, die dieses respektable Ergebnis herausgespielt haben. Doch statt den Wert des Geschafften nun zu halbieren potenziert sich das Gefühl des Sieges sogar. Nach all der Schmach, die die kreiselnden und wirbelnden und ständig passenden Spanier dem deutschen Fußball seit Jahren bereiteten, fällt das Echo auf den Befreiungsschlag nicht zufällig etwas überdimensioniert aus.

Findige Journalisten jubilieren bereits über die deutsche Vorherrschaft in Europa, im Fußball, der Wirtschaft, der Währung – ja dieses von der traurig aussehenden Frau regierte Land ist einfach nicht zu stoppen. Was wohl der Spanier, der dank der Einsparmaßnahmen in seinem Land den Job verloren hat, denkt, wenn ein deutscher Steuerbetrüger in Barcelona im Rumpelstilzchen-Stil sein millionenschweres Lebenswerk bejubelt? Aber ich will diese Themen nicht unnötig vermengen.

Bleiben wir bei „Spanischen Verhältnissen“. Den Jüngeren sei erklärt, dass damit nicht gemeint ist, dass man sich im Halbfinale der Champions League ordentlich die Bude vollknallen lässt. Eine jüngst in die Schlagzeilen geratene Zockernatur hatte angemahnt, dass hierzulande die Dominanz zweier Vereine droht, eben wie auf der iberischen Halbinsel. Obwohl besagter Spekulant daraus den Schluss zog, dass zwei Vereine immer noch einer zu viel sind und der Konkurrenz flugs den besten Spieler wegkaufte, lohnt es, die derart abgewürgte Diskussion noch einmal aufzunehmen.

Wie in vielem gibt sich der deutsche Fußballfan auch in der Frage nach dem Pro und Contra von „Spanischen Verhältnissen“ sehr janusköpfig. In einer Person finden sich meist der Fan der Bundesliga, nennen wir ihn Typ B, und der nach internationalem Erfolg lüsterne Fan des „Deutschen Fußballs“ insgesamt, meinetwegen Typ D. Jeder hat diese zwei Seiten, jeder in verschiedener Ausprägung. Bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft finden sich etwa Zuschauer, die einen Schwergewichtsboxer von einem Typ D mit sich herumschleppen, der den Jockey Typ B kaum atmen lässt. Das führt dann dazu, dass diese Fans zwar die Schuhfarbe von Mesut Özil kennen, Ivan Santini aber für einen aus der „Kocharena“ bekannten Küchenchef halten.

Es geht diesen Fans um Geltung der Nationalmannschaft und der besten Vereine wie Borussia Dortmund, dem FC Bayern oder Schalke 04. Es ist ihnen egal, ob Wolfsburg besser abschneidet als Nürnberg, sie wollen sich gegen die Konkurrenz in Europa und der Welt abgrenzen. Samstags um 15:30 Uhr schlägt dann die Stunde des Typ-B-Fans. Er freut sich auf Bundesligaspiele, in denen alles drin ist, der Ausgang offen und die Spannung groß ist. Der Fan mit einem dominanten Typ B kümmert sich mehr um das Abschneiden seines Vereins, kennt die Tabelle der Liga genau und schaut eher halbherzig hin, wenn Jogi Löw zum gemeinsamen Ballspiel einlädt.

Was die Diskussion um die „Spanischen Verhältnisse“ nun so kompliziert macht, ist, dass wir alle ein bisschen Typ B und Typ D sind. Es freut uns, wenn die Nationalmannschaft gut abschneidet. Auch bei internationalen Erfolgen der Bundesliga wird vor dem Fernseher gefeiert. National soll aber bitteschön keine Langeweile herrschen, die Bayern sollen nicht immer Meister werden, die Kleinen sollen auch gegen die Großen eine Chance haben, etc. etc.. Dieses doppelte Wunschdenken ist, was den Klubfußball angeht, naiv. Die Engländer und Spanier, die in den vergangenen Jahren die Champions League dominiert haben, konnten sich an der Spitze etablieren, weil die nationale Konkurrenz so überschaubar war, dass ein Champions-League-Platz im Abonnement heraussprang. Das mehrte die Einnahmen und minderte die Zukunftsängste und so konnte einiges investiert werden.

Sicher spielt auch der Einfluss milliardenschwerer Gönner eine Rolle, doch auch der Scheich schätzt Planungssicherheit und ein Tabellen-Achter ist für die Topstars eben nicht attraktiv. Regelmäßige Teilnahme am Europapokal sichert bares Geld und damit die Chance, sich von der nationalen Konkurrenz abzusetzen. Genau das erleben wir gerade in Deutschland. Bayern und der BVB mussten sich strecken, um an die Spitze Europas heranzukommen und sie ernten den Applaus der internationalen Presse, dass sie es geschafft haben. Es ist umgekehrt nur logisch, dass die großen Leistungssprünge dieser beiden Mannschaften zu einer wachsenden Kluft in der Bundesliga führen. Man stelle sich vor, Schalke, Leverkusen und Stuttgart könnten bei diesem Niveau mitgehen. So viel Geld kann gar nicht in eine Liga fließen, dass sich eine Vielzahl von Vereinen die ganz großen Ziele setzen darf.

Mit der verbreiteteren Langeweile in der Liga erkaufen wir uns den internationalen Erfolg – und der tröstet dann doch über manchen vorhersehbaren Bundesliga-Nachmittag hinweg. Es ist jetzt an Vereinen wie Schalke, Leverkusen, Stuttgart, Bremen, Wolfsburg und Hamburg ihre Hausaufgaben zu machen und mit ihrem großen Potenzial ein starkes Feld hinter den beiden Topklubs aufzubauen. Das würde aus deutscher Sicht die dahinsiechende Europa League aufwerten und knackige Duelle ums internationale Geschäft in der Liga liefern. Und mit Blick auf die von Jürgen Klopp befürchteten „Schottischen Verhältnisse“ können wir froh sein, dass es wenigstens zwei Mannschaften gibt, die dem Rest ein wenig enteilt sind.

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