Freitag, 25. Mai 2012

Karussell geschlossen - Europa und der Trainermangel

Es ist schwer zu sagen, ob mancher Trainer nur noch deshalb im Amt ist, weil es gerade keinen besseren gibt. Es könnte aber durchaus sein, dass die Top-Klubs Europas sich bei der Neubesetzung des wichtigsten sportlichen Postens so schwer tun, dass der eine oder andere Übungsleiter sich aus diesem Grund etwas länger auf seinem Stuhl hält, als es der Vereinsführung lieb ist. Dabei sind kreative Lösungen nicht immer erfolglos, nur scheint häufig der Mut zu fehlen.

Chelsea sucht einen Trainer, der FC Liverpool auch. Was in Paris mit Carlo Ancelotti geschieht, wird man sehen, immerhin haben die Nobodys aus Montpellier die Millionentruppe aus der Hauptstadt blamiert und sich frech den Titel der Ligue 1 geholt. Tito Vilanova wird sich in Barcelona auch erst beweisen müssen, um mehr als der Trainer zwischen zwei großen Ären zu sein. Es sind also einige attraktive Posten in der Lostrommel, die Kandidaten stehen aber keineswegs Schlange.

Die „Blues“ bemühen sich scheinbar um die Dienste von Fabio Capello, weitere Kandidaten werden nicht genannt, Liverpool hat derweil ein Auge auf den jüngst in London entlassenen Andre Villas-Boas und Wigans Roberto Martinez geworfen. Letzterer hat den Klassenerhalt geschafft und kann das auch als Erfolg verkaufen. Die Wahl wäre für einen durch US-Millionen reichen Klub aber eher unsexy. Villas-Boas, Capello, Pep Guardiola, Jose Mourinho, Rafa Benitez: Das sind die Trainer, die in Europa zur Zeit scheinbar die besten sind. Ikonen ihrer Klubs wie Arsene Wenger und Sir Alex Ferguson sind natürlich nicht verfügbar und daher hier auch nicht Thema.

Der Kreis derer, denen die Führung einer Topmannschaft zugetraut wird, ist klein, deutsche Trainer fehlen auf der Liste. Zwar gibt es immer wieder Gerüchte um Jürgen Klopp, er scheint jedoch ein besonderes Umfeld und eine junge, hungrige Mannschaft für sein System zu benötigen. Interessierte Vereine, die nicht nur die nationalen Ergebnisse als Maßstab nehmen, erkennen das schnell. Der weitere deutsche Spitzenklub mit deutschem Trainer, der FC Bayern, beschäftigt einen Frührentner, dem ein Schritt in eine neue Sphäre mit Recht nicht mehr zugetraut wird. Lange galt Felix Magath als Kandidat für eine attraktive Position im Ausland, doch er zog den bequemen Job in Wolfsburg vor. Alle anderen hatten noch nicht die Gelegenheit, sich in der Champions League ihre Meriten zu verdienen.

Auf genau diese Erfahrung scheint es allerdings anzukommen, zumindest bei den besonders zahlungskräftigen Klubs. Die inzestös anmutende Trainer-Tauschorgie unter den Spitzenvereinen hat zum Beispiel in der abgelaufenen Saison Claudio Ranieri einen Job bei Inter verschafft, bringt Villas-Boas trotz des Chelsea-Debakels an der Anfield Road ins Gespräch, Jose Mourinho klappert die Elite Europas förmlich ab und Benitez ist bei jeder Suche Kandidat, ob er will oder nicht. Lassen wir das Beispiel Martinez bei Seite, scheint es nur zwei Auswege zu geben: Die Aktivierung ehemaliger Spieler, die aufgrund ihrer Verdienste um den Klub nicht wegen mangelnder Referenzen in Frage gestellt werden, ist eine Lösung. Das klappte bei Juventus Turin und Antonio Conte, Barcelona und Pep Guardiola und auch bei Chelsea und Roberto Di Matteo.

Dass Letzterer trotz des Sieges in der Königsklasse nicht weitermachen darf, liegt an der Fixierung Roman Abramowitschs auf besonders namhafte Trainer, eine der wenige Schrulligkeiten, die sich der Russe als Geldgeber leistet. Die zweite Lösung ist, wie schon seit ewigen Zeiten, die Verpflichtung eines bislang namenlosen Trainers, der mit einer relativ schwachen Mannschaft ein herausragendes Ergebnis erzielt hat. Roberto Martinez könnte diese Karriere hinlegen, Massimiliano Allegri ist so zu seinem Job bei Milan gekommen. Gerüchte um eine Beschäftigung von Lucien Favre bei den Bayern knüpfen an diese Tradition an. Es wird diese Fälle in Zukunft allerdings nur noch vereinzelt geben.

Die Anforderungen, die ein Klub wie Chelsea, Barcelona oder Manchester City an einen Coach stellt, unterscheiden sich so fundamental von dem, was den Trainer in kleinen Klubs erwartet, dass die Vorstände Europas vorsichtig sind, einem „Greenhorn“ die Chance zu geben. Da investieren sie lieber etwas mehr und sind sich sicher, dass der Neue den Herausforderungen des Umfelds und dem Umgang mit Bestverdienern gewachsen ist. Das Ergebnis ist das Ringelrein der genannten Trainer, aufgefrischt wird die Zunft nur selten durch Nachwuchs. Das Scheitern des in Portugal verehrten Jungspunds Villas-Boas an der Stamford Bridge wird die Risikobereitschaft der Vereine nicht erhöhen. Vielleicht wird der Nachfolger von Jupp Heynckes einer, den keiner auf der Rechnung hat. Der Posten bei den Bayern könnte zum Schlupfloch zur Trainer-Elite Europas werden.

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