Sonntag, 27. Mai 2012

Horst Heldt und Schalkes Reste-Rampe

Horst Heldt lebt gerade ein überdimensionales Computerspiel. Seine Aktivitäten zur Zusammenstellung des Kaders für die kommende Saison unterscheiden sich nicht wesentlich von dem, was viele von uns schon erlebt haben, wenn sie am PC Bundesliga-Manager spielen. Er übernimmt einen Kader, den er so nicht zusammengestellt hätte und hat jetzt endlich die Möglichkeit, Tabula Rasa zu machen. Die Folge ist ein Ausverkauf, wie ihn Vereine vollziehen, die ihre Philosophie ändern möchten.

Jan Moravek und Mario Gavranovic, letzterer übrigens zum allgemeinen Unverständnis, sind bereits weg. Hans Sarpei, Levan Kenia und Mathias Schober auch. Die Tränen um Raul sind noch nicht getrocknet, Carlos Zambrano geht endgültig zu Pauli. Wer jetzt glaubt, dass Heldt zunächst für Nachschub sorgen müsste, verkennt die unendlichen Weiten des von Magath gebauten Kaders (und hat womöglich noch nie einen radikalen Kader-Umbau am PC vorgenommen). Denn die zuletzt verliehenen Ciprian Deac, Anthony Annan, Vasileios Pliatsikas und Edu stehen auch noch zum Verkauf.

Kaum einen der Abgänge wird der Schalker Anhang dem Manager übel nehmen. Auch wenn Alexander Baumjohann tatsächlich nach Frankfurt geht und es Jose-Manuel Jurado in die Heimat zieht, wird der Verein es verschmerzen. Die „Königsblauen“ sammeln ihre finanziellen Kräfte, um die Spieler, die keineswegs gehen sollen, aber natürlich begehrter als die Sonderangebote sind, zu halten. Das betrifft ganz bestimmt Klaas-Jan Huntelaar (diffuses Interesse von Spitzenklubs), Benedikt Höwedes (Bayern München) und Kyriakos Papadopoulos (Milan).

Schon zum Ende der vergangenen Saison wurde spekuliert, dass der Raul-Abgang für das nötige Kleingeld gesorgt hat, um Torschützenkönig Huntelaar einen Verbleib schmackhaft zu machen. Auf der anderen Seite scheint es dem Verein nicht allzu schlecht zu gehen, die Gerüchte um Dani Alves und Jonathan de Guzman, so absurd sie auch sind, deuten darauf hin, dass die Gelsenkirchener auch höhere Ablösesummen stemmen können oder ihnen das zumindest zugetraut wird.

Der Weg scheint klar. Die Verschlankung des Magath-Kaders auf ein vernünftiges Bundesliga-Niveau soll die Ressourcen für eine Steigerung der Qualität freisetzen. Klasse statt Masse ist das neue Motto, Heldt traut sich damit mehr zu als Magath vor ihm. Zehn Spieler zu moderaten Ablösesummen zu verpflichten und hoffen, dass davon zwei, drei Spieler einschlagen, ist wie sich 100 Päckchen Panini-Bilder zu kaufen und einen Haufen Doppelte in Kauf zu nehmen. Magaths Nachfolger setzt auf wenige, dafür womöglich kostspieligere Investitionen. Schlägt einer dieser Spieler nicht ein, hat Heldt ein Problem, vernünftiger ist sein Vorgehen aber auf jeden Fall.  

Der Umbruch bei Schalke kommt einem Ausmisten schon sehr nahe, das ist aber keine Neuerfindung der Kaderplanung. Vielmehr reiht sich der Verein wieder in das übliche Vorgehen der Bundesligisten ein und stellt sich einem arbeitsreichen und mit Blick auf die Ramschpreise bei den Abgängen bestimmt auch kaufmännisch schmerzhaften Prozess, der Vereinen in der Post-Magath-Ära zwingend bevorsteht. Sollte der in einigen Dekaden den VfL Wolfsburg verlassen, hat sich der Kader dort womöglich auf etwa 70 Spieler vergrößert. Vielleicht holen die Autostädter dann den in Aufräumarbeiten erfahrenen Horst Heldt. Oder sie üben selbst schon einmal am Computer.

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