Donnerstag, 23. Februar 2012

Rene Adler und die neue Chance

Kaum einem Fußballer – außer Michael Ballack vielleicht – hat die Schnelllebigkeit des Fußballgeschäfts in den vergangenen Jahren so zugesetzt wie Rene Adler. Von der sicheren Nummer zwei wurde er zur sicheren Nummer eins der Nationalelf, schwächelte dann, verletzte sich und spielt beim DFB vorerst keine Rolle mehr. Jetzt hat sich der HSV die Dienste des Noch-Leverkuseners gesichert und damit bestimmt keinen schlechten Fang gemacht.


Welch eine Achterbahnfahrt hat dieser Rene Adler hinter sich. Nach dem entscheidenden Quali-Spiel zur WM 2010 am 10. Oktober 2009 wurde er gefeiert, der erkrankte Robert Enke hatte seinen eigentlich sicheren Platz im Tor scheinbar verloren. Einen Monat später nahm sich der Hannoveraner das Leben und ausgerechnet Adler, der zuvor stets betont hatte, wie gut er sich mit Enke versteht, sollte seinen Posten übernehmen.

Auch Manuel Neuer machte sich Hoffnungen auf einen Einsatz in Südafrika, Löw, Flick und Köpke legten sich aber schon im darauffolgenden März fest: Der Mann aus Leverkusen sollte es richten. Von höchster Titanen-Stelle gab es Applaus für diese Entscheidung. „Das war die logische und richtige Entscheidung. Zum einen zählen die Leistungen im Verein, und die waren gut. Zum anderen zählen die Leistungen in der Nationalmannschaft, und die waren sehr gut. Und gerade nach den tollen Leistungen gegen Russland konnte keine andere Entscheidung fallen“, freute sich Oliver Kahn, selbst leidgeprüft durch Löwsche Torwartnominierungen, über die Festlegung.

Rene Adler benutzte eine gängige Floskel, die Bescheidenheit ausdrücken soll, in seinem Fall aber zur düsteren Prophezeiung wurde. „Man weiß ja, was alles passieren kann“, sagte er mit Blick auf mögliche Verletzungen und Formschwächen. Er freute sich auf das Turnier, bei dem ein gewisser Michael Ballack die Mannschaft als Kapitän zum Titel führen sollte. Es waren – sportlich gesehen – die wahrscheinlich bis heute glücklichsten Tage im Leben des Rene Adler.

Denn von nun an ging es bergab. Zunächst schwächelte er auf dem Platz. Gegen Argentinien lief er mutig aus seinem Tor, dafür war er immer gelobt worden, verpasste dieses eine Mal aber Ball und Stürmer, die „Gauchos“ gewannen in München. Erste Zweifel wurden laut, und niemand war in der Lage zu unterscheiden, ob es das übliche Nörgeln an einer definitiven Entscheidung oder berechtigte Einwände der Experten waren. Eine Verletzung beendete die Diskussion, Adler sagte wegen einer anstehenden Operation die WM ab.

„Das war die schwierigste Entscheidung meines Lebens. Aber es wäre mir selbst, meinem Verein und der Nationalmannschaft gegenüber letztlich unverantwortlich gewesen, an der WM teilzunehmen“, musste er sich eingestehen und ermöglichte Neuer den Aufstieg zur Weltklasse, die vorher nur ihm selbst zugesprochen wurde. Die Erkenntnis, wie schnell es im Fußball gehen kann, traf Adler wie eine Klitschko-Faust. Zum ersten Todestag Robert Enkes beklagte er diese Mentalität.

„Für Schwäche ist (...) kein Platz, das wollen die Zuschauer nicht, das will die Gesellschaft nicht sehen. Ich bedaure das sehr. Letztlich ist das aber wohl auch der Schnelllebigkeit des Fußballs geschuldet. Wer heute noch der Messias ist, kann drei Tage später schon der Versager sein. Es gibt nur schwarz und weiß, keine Grautöne“, beklagte er den nicht stattfindenden Sinneswandel nach der Diskussion um Depressionen im Profifußball, und ein wenig auch seine eigene Situation.

Längst spielte er wieder, brachte es in der Saison nach der WM auf 32 Bundesligaeinsätze und erhielt vom nicht gerade mit der Note eins um sich werfenden Kicker im Schnitt immerhin eine 3,05. Adler begann zu pokern. Eine Rückkehr ins Nationalteam hielt er für wahrscheinlich, verhandelte hart um einen Traumvertrag bei Bayer und liebäugelte mit einem Wechsel zu Manchester United. Die Zukunft stand ihm wieder offen, es fehlte nicht viel zu einer triumphalen Rückkehr auf die große Bühne. Im Juli des vergangenen Jahres war es dann aber wieder seine Gesundheit, die ihm einen Strich durch die Rechnung machte.  

Die Patellasehne schmerzt bis heute. Der Vertragspoker fiel ihm im Sommer auf die Füße, ein gewisser Bernd Leno machte den Mann, der vor einem guten Jahr noch Deutschlands WM-Hoffnung war, vergessen. Ob Robin Dutt, der auch den anderen gefallenen fast WM-Helden auf dem Gewissen hat, seinen Torwart mit dem folgenden Zitat aufbauen wollte, ist nicht mehr aufzuklären: „Ich habe Rene Adler immer zu den besten zwei Torhütern in Deutschland gezählt. Dabei bleibe ich auch. Bernd Leno spielt derzeit eine ausgezeichnete Rolle bei uns. Von mir aus können beide noch lange bleiben.“ Das war Ende September 2011.

Im Februar hat Adler nun die Zeichen der Zeit erkannt und wird laut Kicker einen Vertrag beim HSV unterschreiben. So viel Geld wie in Manchester verdient er hier nicht. Auch nicht so viel, wie er bei Leverkusen bekommen hätte, wenn er gesund geblieben wäre. Was er in Hamburg, wo sie Drobny für ihn in die Wüste schicken, bekommt, ist eine neue Chance. Und wenn man seine Geschichte so Revue passieren lässt, kann man ihm die nur gönnen.

Keine Kommentare: