Montag, 24. Oktober 2011

"In dubio contra Bayern"

Jetzt haben sie einmal verloren, nach endlosen Spielen der Glückseligkeit. Und wer ist schuld? Nicht die Bayern, nein, der Schiedsrichter ist natürlich schuld. Und Pinto, dieser Wicht. Es ist immer die gleiche Schallplatte. Und das perfide am Gebaren des Rekordmeisters ist, dass nicht nur das eigene Versagen schöngeredet wird, denn das tun ja einige, sondern dass in zwei Richtungen systematisch gegen Beteiligte, die nicht das Bayern-Shirt tragen, vorgegangen wird.

Die Rede ist von Schiedsrichtern und Gegenspielern. Beginnen wir mit letzterem. Sergio Pinto ist nicht das, was der Fußballfan einen sympathischen Spieler nennt. Der ist keiner, über den der Gegner nach dem Spiel anerkennend sagt, das sei, auch durch die Fan-Brille, eine saubere Leistung gewesen. Aber wie Uli Hoeneß sich den Hannoveraner nach dem Spiel zur Brust nahm, war schlichtweg zu viel des Guten.

Da wird ein Spieler an den Pranger gestellt, und zwar stets grundsätzlich. Die Formulierungen sind lassen keine Ausnahme zu, „der macht immer...“, „der zertstört alles...“. Es ist vielleicht die größte Schwäche des Uli Hoeneß, dass der nach Niederlagen nicht sachlich analysiert, sondern sich nach Möglichkeit einen Sündenbock sucht und in den Medien eine Hetzjagd arrangiert. Das gehört sich einfach nicht. Das Gebahren von Pinto auf dem Platz ist ja häufig unerträglich, aber Thomas Müller, Franck Ribery und Rafinha sind jetzt auch keine Kinder von Traurigkeit und denken wir nur an die Zeiten zurück, in denen ein Mark van Bommel noch die Knöchel der halben Bundesliga signierte.

Schlimmer noch ist die permanente indirekte Einflussnahme auf die Schiedsrichter. Die Liste der Zielscheiben ist lang, 1997 etwa stellte Hellmut Krug Sammy Kuffour vom Platz und musste sich anschließend anhören, dass er der Situation des noch jungen Abwehrspielers in einer fremden Umgebung nicht Rechnung getragen habe. Hoeneß wurde zu einer Geldstrafe verdonnert und verklagte daraufhin den DFB, so ist er halt. Vier Jahre später kostete die Hoeneß-Kritik Hartmut Strampe den Bundesliga-Job, denn der Bayern-Manager arbeitete sich nicht nur an der schlechten Leistung des Referees beim Skandal-Spiel in Dortmund ab, sondern unterstellte ihm medienwirksam, insgesamt ein schlechter Schiedsrichter zu sein. Dass beide Mannschaften aufeinander losgingen, als habe der Gegner zuvor das Heim des Gegenüber gebrandschatzt, dessen Familie entführt und den Hund geschändet, das erwähnte Hoeneß mit keinem Wort.

Im Februar 2008 bekam es dann Thorsten Kinhöfer nach einigen für die Bayern unvorteilhaften Entscheidungen ab, „in dubio contra Bayern“ polterte Hoeneß damals. Und legendär ist schon seine Aussage, dass die Bayern-Spieler zu schützen seien und notfalls einmal sieben, acht Spieler des Gegners vom Platz gestellt werden müssen. Hellmut Krug, inzwischen nicht mehr aktiv, gab damals zu, dass die Bundesliga-Schiedsrichter sich durch solche Aussagen enorm unter Druck gesetzt fühlen.

Die gezielte Attacke gegen einzelne Personen ist ein fragwürdiger Weg, Uli Hoeneß weiß aber, dass sie sehr viel mehr Wirkung zeigt als eine diffuse Verdammung ohne Nennung von Namen. In jedem Erste-Hilfe-Kurs lernt man, dass es sinnvoller ist, Umherstehenden genaue Anweisungen zu geben, statt einen Satz mit „Könnte jemand bitte...“ zu beginnen. Der Lehrer, der einer Klasse immer nur erzählt, dass „einige sich einfach immer daneben benehmen“ hat zumindest zu meiner Zeit auch die schlechteren Karten als der gehabt, der direkt zu Beginn das eine oder andere Exempel statuiert hat.

Die Fragwürdigkeit der Vorgehen, sowohl des Lehrers als auch des Bayern-Managers, liegt auf der Hand. Der Nutzen aber auch. Fehlentscheidungen gegen die Bayern lösen eine solche Welle aus, dass es zumindest nicht unvorstellbar ist, dass der eine oder andere Schiedsrichter sich eine friedliche Woche gönnen will und die strittige Szene eher Richtung Bayern entscheidet. Hoffen wir, dass sich die Gemüter nach dem Rot gegen Boateng beruhigen und uns nicht eine weitere nervige Debatte über den Charakter eines Bundesliga-Spielers ins Haus steht, der den Bayern in die Suppe gespuckt hat.

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