Samstag, 22. Oktober 2011

Die Geschichte vom Grotifanten

„In seiner ersten Saison quälte sich der Fan, der das Innere des Plüsch-Elefanten ausfüllte, mit einem viel zu schweren Kostüm über den Rasen, in den folgenden Jahren wurde die Staffage entschlackt. Der Elefant sah nicht mehr ganz so gut aus, konnte sich aber deutlich behänder bewegen. Viele Jahre später sollte sich das als Glücksfall erweisen, auch wenn er zwischenzeitlich einen mehrere Jahre währenden Winterschlaf gehalten hatte.

Im Niederrhein-Pokalhalbfinale der Saison 2004/05 traf man zu Hause auf Fortuna Düsseldorf. Es war nach acht Jahren auch die erneute Heimpremiere für den Grotifanten. Finanziell war Düsseldorf ein Glückslos, schließlich gelten die Anhänger der Fortunen als reisefreudig. 10.000 der insgesamt 17.000 Zuschauer kamen dann auch aus der Landeshauptstadt, kurz vor Schluss erzielte Fortuna den Siegtreffer.

Normalerweise ist das eine Ausgangslage, die auch aggressivste Fans in Feierlaune versetzt. Doch Trivialpsychologie ließ sich nicht auf die Fans der Fortuna anwenden, die bereits während des Spiels „Der Grotifant kriegt heut' aufs Maul“ skandiert hatten und nach Schlusspfiff wie enthemmt in Richtung gegnerische Kurve rannten, um die zahlenmäßig grotesk unterlegenen KFC-Fans zu vermöbeln. Der Elefant, der nach dem Schlusspfiff nicht rechtzeitig vom Platz gekommen war, konnte sich nur mit Mühe und Not vor einer aufgebrachten Horde Fans in Sicherheit bringen, nicht zuletzt, weil sich einige KFC-Spieler im wahrsten Sinne des Wortes für ihn stark machten.

Von den Scharmützeln existiert ein Foto, das zu den Highlights der Sportfotographie gehört: Es zeigt den Elefanten, wie er – den Kopf des Dickhäuters unterm Arm – in voller Montur flieht. Hinter sich ein Fan mit rot-weiß geschminktem Gesicht, der mit hasserfülltem Blick die Faust erhebt. Seit diesem grundlosen Gewaltexzess gibt es in Uerdingen zwei Vereine, die die KFC-Fans überhaupt nicht mögen.

Der andere ist traditionell Bayer Leverkusen.“

Aus: Christoph Ruf, „Ist doch ein geiler Verein. Reisen in die Fußballprovinz“, Verlag Die Werkstatt

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