Sonntag, 27. März 2011

Pfiffe statt Gala

Es ist schon seltsam, wie sich unsere Nationalmannschaft in der vergangenen Woche selbst unter Druck gesetzt hat. Am vergangenen Wochenende, als sich der Fan nach dem letzten Abpfiff in der Bundesliga erstmals gedanklich mit dem anstehenden Spiel gegen die Kasachen auseinandersetzte, dachte er zunächst an einen müden Kick. Ein Arbeitssieg, in etwa in der Höhe von drei oder vier zu null wurde erwartet, die Quali für die EM 2012 wäre dann schon so gut wie sicher. Dann aber gab Löw die Parole aus, das Fußball-Entwicklungsland nicht nur zu besiegen, sondern so richtig an die Wand zu nageln. Am gestrigen Abend kam es dann wiederum ganz anders.
Ich kann auch nicht beantworten, warum sich die Truppe um den Bundestrainer ohne Not einem solchen Druck ausgesetzt hat, gegen einen tief stehenden Gegner auch noch besonders schön spielen zu wollen. Da klagen Trainer wie Spieler immer über diese Abwehrbollwerke, gegen die kein Kraut gewachsen ist, und dann gelobt die DFB-Elf plötzlich eine Gala gegen die Betonmischer aus Kasachstan.
Das Experiment mit der großen Spielfreude gegen den kleinen Gegner ging auch prompt in die Hose. Die erste Halbzeit war in Ordnung. Die Mannschaften waren kaum auf dem Platz, da stand es schon eins zu null. Der Treffer nach einer Standardsituation (!) sagte viel über die Qualität der kasachischen Defensive aus. Sie war praktisch nicht existent. Ein Halbzeitstand von drei zu null war hinnehmbar und auch der sonst eher auf die Euphoriebremse tretende Béla Réthy frohlockte, was denn nun bei nachlassenden kasachischen Kräften noch alles zu erwarten sei. Es kam aber alles anders (und Béla Réthy wird künftig wohl eher wieder auf die Euphoriebremse treten). Bastian Schweinsteiger lieferte ein unsagbar schlechtes Spiel ab. Ganz im Bayern-Tran der vergangenen Wochen suchte er entweder durch lächerliche Zidane-Pirouetten eingeleitete Dribblings oder den Querpass zu Sami Khedira. So mischten sich bei ihm Arroganz und Unvermögen, das deutsche Spiel erlahmte schon auf der so genannten Sechser-Position. Überhaupt machten die Bayern-Spieler eine unglückliche Figur. Aogo und Podolski machten Fehler, aber immerhin einigen Betrieb auf der linken Seite, das eingespielte Duo Lahm und Müller auf der rechten Seite glänzte nur durch vereinzelte Kombinationsversuche. Auch der später eingewechselte Mario Gomez spielte nicht mit breiter Brust. Es scheint, dass die Bayern-Spieler im Moment ein wenig durchgeschleppt werden müssen. Die Musik machen in der Nationalelf andere, etwa Podolski und Klose, die dem Bnundestrainer fleißig Argumente liefern, sie trotz bisweilen bescheidener Leistungen in der Liga immer wieder aufzustellen.
Die zweite Halbzeit gingen die Spieler, die eine Woche lang ungefragt ein Schützenfest angekündigt hatten, etwas desinteressiert an. Zu klar war die Überlegenheit um die Anspannung über den Pausentee zu retten. So wurde es ein Spiel, das eine Woche vorher jeder erwartet hätte und über das sich womöglich niemand beschwert hätte. Es passierte praktisch nichts mehr, das Tempo war raus, Torchancen Mangelware. Und dann kamen die Pfiffe. Ein zuvor auf mindestens sechs Tore eingepeitschtes Publikum sah nur noch Ballgeschiebe und wunderte sich doch sehr. Nachdem es schon während des Spiels immer wieder aufkommende Pfiffe gegeben hatte, trafen sie erstmals geballt Mario Gomez bei dessen Einwechslung. Da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel falsch gemacht hatte, gingen die Zuschauer diesbezüglich quasi in Vorleistung und sollten letztlich auch Recht behalten. Noch etwas lauter wurden die Pfiffe bei Bastian Schweinsteiger. Als er für Toni Kroos Platz machte, wollten ihm einige Fans noch ihre Meinung zu seiner Leistung mit auf den Weg geben.
Grundsätzlich sollte die eigene Mannschaft nicht ausgepfiffen werden, schon gar nicht wenn sie drei zu null führt. Es ging aber auch nur zum Teil um die sportliche Leistung. Spieler, die so selbstgefällig und bisweilen exzentrisch auftreten wie Schweinsteiger und Gomez müssen in Hochburgen des Widerstandes gegen die Bayern-Allmacht wie dem Betzenberg nun einmal eine klasse Leistung abliefern, um die Fans hinter sich zu bringen. Der Antrieb zu den Pfiffen ist ein ganz profaner: Die Leute mögen die beiden einfach nicht. Özil und Khedira haben auch keine Bäume ausgerissen, das sind aber unsere Männer in Madrid. Miro Klose hatte eigentlich auch nur die Tore zu bieten, aber der ist sogar ein Bub vom Betze. Da werden andere Maßstäbe angelegt. Mit den Herrschaften vom FC Bayern (und zwar nicht die harmlosen, wenig polarisierenden Lahm, Kroos oder Badstuber) arrangiert man sich aber nur in dringenden Fällen. Das können große Turniere genauso wie sonstige Spiele gegen Top-Gegner sein. Gegen Kasachstan bricht die Solidarität aber, da erinnert man sich im Luxus des sicheren Sieges schon daran, wie sehr man auf die Bayern in der Bundesliga immer schimpft. Das mag sich jetzt kleinbürgerlich anhören, aber die Herzen fliegen eben Poldi zu - und nicht mehr Herrn Schweinsteiger.
Die Verantwortlichen sollten den Ball deshalb jetzt flach halten. Sie haben die Erwartungshaltung selbst geschürt und beschweren sich jetzt darüber. Schweinsteiger sollte die Pfiffe nicht groß kommentieren sondern den Ansporn daraus ziehen, dass von ihm eben mehr erwartet wird als von Aogo. Und Jogi Löw sollte die Kleinen in Zukunft wieder etwas stärker reden und nicht erst nach dem Spiel wieder die Schwierigkeiten gegen einen tief stehenden Gegner bemerken. Dann trinken wir uns bei diesen Spielen ein Bierchen, warten die drei Tore ab und behandeln das Spiel im Nachgang so, wie es die Spieler auf dem Platz auch gemacht haben: als lästige Pflichtaufgabe.

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