Donnerstag, 17. März 2011

Abteilung Attacke

Thomas Müller zeigte am späten Dienstagabend eine unbändige Leidenschaft. Um seinen Geisteszustand fürchtend sah ihm der Teil der Nation, der das Spiel auf Sky verfolgen durfte, nach dem Abpfiff bei wilden Schimpftiraden und Verrenkungen zu. Mario Gomez legte sich derweil auf den Rasen und verbarg sein Gesicht mit beiden Händen, nur seine fesche Frisur war noch zu sehen. Gleichzeitig lehnte sich Bastian Schweinsteiger gegen Marco Materazzi auf. Der habe ihn schon vor dem Spiel provoziert, erklärte Schweini später, und er könne Zidane jetzt verstehen. Nur hatte der Star der Bayern nicht den Mumm, auch wie Zidane zu handeln. Ein platzierter Kopfstoß hätte einem für die Bayern deprimierenden Abend noch ein Highlight gegeben.
Ich gebe offen zu, dass ich eine gewisse Schadenfreude nicht unterdrücken konnte. Ich bin nicht der Fan, der sagt, dass die Bayern international gewinnen sollen, weil sie doch immerhin eine deutsche Mannschaft seien. Ich verkrafte Müller und Schweinsteiger in der Nationalelf, darüber hinaus bringe ich aber keinerlei Sympathie für Spieler und Spiele des Rekordmeisters auf.
Die Bayern sind, das haben alle festgestellt und deshalb will ich mich daran nicht lange aufhalten, an ihrer Abwehr gescheitert. Breno hat kein Format, ja, das haben wir alles schon einmal gehört. Traurig aus "deutscher" Sicht ist nur, dass diese Erkenntnis scheinbar nicht bei den Entscheidungsträgern ankommt. Die Bayern wissen um ihre Schwächen, scheinen aber keine Idee zu haben, wie sie endlich Ordnung in die Defensive bekommen. Louis van Gaal ist jetzt so etwas wie der offensiv denkende Sündenbock geworden. Klar hat er es nicht geschafft, eine vernünftige Abwehr aufzustellen. Lange genug hat aber ein Uli Hoeneß auch offensiven Fußball gefordert und der eher ergebnisorientierte Ottmar Hitzfeld war irgendwann nicht mehr gut genug, weil dem Publikum in der neuen Arena traumhafter Offensiv-Fußball geboten werden sollte. Der heißeste Kandidat auf den Trainer-Posten in der kommenden Saison ist jetzt Jupp Heynckes. Wie er die Abwehr in den Griff bekommen soll, steht in den Sternen. In Leverkusen hat er es jedenfalls nicht geschafft, eine stabile Verteidigung aufzubauen. Reinartz startete irgendwann als defensiver Mittelfeldspieler, musste dann zurück in die Innenverteidigung und ist in den wichtigen Spielen seither überfordert. Auch Daniel Schwaab konnte "Don Jupp" nicht entscheidend weiterentwickeln, wie das Hinspiel gegen Villareal offenbarte. Nerlinger und Rummenigge werden dem neuen alten Trainer also einen Weltklasse-Verteidiger einkaufen müssen, damit der Laden endlich dicht gemacht wird.
Großes Geld scheint aber nur für Stürmer da zu sein. Die aktuell im Kader stehenden defensiv agierenden Spieler haben zusammen 55,7 Mio. Euro gekostet, die Offensiven waren den Bayern 94 Mio. wert (alle Werte von transfermarkt.de). Der höhere Offensiv-Wert ist sogar noch auf einen Spieler weniger als die Summe für die Defensiven verteilt. Es gab einmal Zeiten, da spottete Hoeneß über die Spanier, die nur Geld für Stürmer ausgeben und die Abwehr vergessen. In diese Falle ist jetzt auch der Festgeld-Club Bayern München getappt. Beziehen wir in die Überlegung noch ein, dass ein Luis Gustavo mit 17 Mio. und ein Breno mit 12 Mio. Euro auch noch heillos überbezahlt waren, kann die Defensiv-Schwäche nicht überraschen. Leverkusen, Bayern, Bremen, Stuttgart, zu Saisonbeginn Schalke und chronisch der VfL Wolfsburg haben gravierende Probleme mit der Defensive. Dortmund hingegen hat mit Subotic, Hummels und Santana drei tolle Innenverteidiger, davor einen unermüdlichen Bender und steht folglich sicher an der Tabellenspitze. Vielleicht gewinnen die Dortmunder die Meisterschaft ja gar nicht, weil sie vorne so schön kombinieren, vielleicht ist es ja die Sicherheit in der Abwehr, die ihnen die Meisterschaft bringt? In München trafen vor einigen Wochen zwei gleichwertige Offensiv-Reihen, nicht aber, und da sind wir wieder bei dem alten Hut, zwei gleichwertige Defensiv-Reihen aufeinander.
Und so wird viel davon abhängen, welche Schlüsse die Bayern aus der laufenden Saison ziehen. Wenn sie sich entscheidend im defensiven Bereich verstärken und offensiv etwas variabler werden, steht uns wohl eine erfolgreiche Saison der Bayern bevor. Wir werden sie ertragen, weil wir von der aktuellen, sehr unerfolgreichen Spielzeit der Bayern zehren können. Hoffen wir also, dass die Dortmunder der Mut nicht verlässt und die Leverkusener einen Trainer bekommen, der der Mannschaft endlich die lässige Art in den entscheidenden Spielen austreibt. Dann kann es auch mit einer verbesserten Bayern-Defensive doch noch spannend, oder besser gesagt erträglich werden.

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