Freitag, 18. Februar 2011

Lernen von den Besten

Jürgen Klopp hat das in der Rückrunde nicht mehr ganz so elegante Auftreten seiner jungen Borussen mit dem schlechten Rasen im Signal Iduna Park erklärt. Die Bayern beschweren sich gerne über den Rasen in anderen Stadien, der ihren Filigrantechnikern das ansehnliche Spiel verbietet. Die Bundesliga diskutiert darüber, die Winterpause zu streichen, scheint zwischn November und April aber keine bespielbaren Plätze anbieten zu können.

Ganz anders ist die Situation in England, oder sagen wir besser bei Arsenal, Tottenham, Manchester (beide) und Liverpool. Denn bei allen Lobeshymnen auf die britischen Plätze dürfen wir auch den Acker in Blackpool nicht vergessen. Auf Champions League-Niveau bietet Arsenal sich und seinem Gegner allerdings ein weitaus besseres Geläuf als etwa zur Zeit der 1. FC Kaiserslautern.

Und darüber hinaus auch den besseren Fußball. Bei aller Kritik an den deutschen Plätzen dürfen wir nicht vergessen, dass der HSV auch auf einem golfplatzgleichen Grün in der Hinrunde keine Wunder vollbracht hat. Und mit Ausnahme der Aktionen der Dortmunder lassen viele Spielzüge in Deutschland unabhängig vom Rasen in punkto Tempo Wünsche unerfüllt. Klar, es ist gemein ein "normales" Bundesligaspiel mit dem Gipfel von zwei der spielstärksten Mannschaften in Europa zu vergleichen, aber da Arsenal und Barcelona am vergangenen Mittwoch immehrin in der gleichen Sportart antraten wie Woche für Woche die deutschen Mannschaften, muss ein Vergleich erlaubt sein. Oder wir fragen uns, was der FC Barcelona mit dem FC Bayern anstellen würde.
Die Bayern taugen als gutes Beispiel, weil sie sich selbst immer für die besten halten und auch bei offensichtlicher Unterlegenheit keinem Gegner eingestehen, dass er sie verdient übertrumpft hat. Was also hätten Messi, Villa, Iniesta und Xavi mit Holger Badstuber angestellt. In der Ära Klinsmann gab es diesen Vergleich schon einmal, und er erfuhr seine Verbildlichung im blauen Auge von Hans-Jörg Butt. Auch wenn sich das Ergebnis von vier zu null für die Katalanen nach einer krachenden Abfuhr anhört, hätte es angesichts der Tatsache, dass der Endstand bereits zur Pause erreicht war, noch schlimmer für den deutschen Rekordmeister kommen können.
Der FC Arsenal stand in der ersten Halbzeit am Rand einer ähnlichen Blamage. Selbst die aus der Premier League einen temporeichen Powerfußball gewohnten Gunners taten sich mit den präzisen Kombinationen der Barca-Künstler schwer, sie fanden nicht in die berühmten Zweikämpfe und zeigten eine Abseitsfalle, die jedem C-Jugend-Trainer Sorgenfalten auf die Stirn gezaubert hätte. Der Unterschied zu den Bayern und generalisiert zu allen anderen Bundesligisten war jedoch die Fähigkeit des FC Arsenal, die offensichtliche Überforderung in der Defensive durch eigene Klasse im Angriff wenigstens abzumildern und ihr ein ansehnlicheres Gewand überzuwerfen. Diese Fähigkeit haben die Bayern nicht (Alleingänge von Arjen Robben zählen nicht, weil sie gegen Klasse-Verteidiger nicht stattfinden würden), das Ballbesitzspiel von van Gaal würde Barca vermutlich nur zu Skat-Partien im eigenen Sechzehner inspirieren.
Das Spiel des FC Barcelona und in guten Phasen auch das des FC Arsenal zeichnet sich vor allem durch Geschwindigkeit aus. Um so schnell wie diese beiden Mannschaften zu spielen müssen Präzision, Laufbereitschft, beste technische Fähigkeiten der Spieler und ein guter Plan zu Grunde liegen. Nur wenn genau gespielt wird, wenn die Spieler die Bälle direkt verarbeiten können, und darüber hinaus wissen, wo sich der Mitspieler für gewöhnlich hinbewegt, kann ein Gesamtgebilde entstehen, wie es Europa am Mittwoch bestaunen durfte.
Diesen Ideal kommen im Moment noch die Dortmunder und in ihren spielerischen Grenzen die Mainzer am nächsten. Beide Teams scheinen gut einstudierte Laufwege anzuwenden und laufen als gebe es kein morgen. Mängel liegen häufig im technischen Bereich und in der letzten Präzision. Die Idee, wo der Ball hin muss, haben die Mittelfeldspieler in der Regel, es fehlen ihnen aber bisweilen die technischen Möglichkeiten, den Ball auch tatsächlich dorthin zu spielen. Barcelona hat eine Reihe von Steilpässen angewendet, die ihren Sinn nur erfüllen, wenn sie exakt in dem Moment gespielt werden, in dem der Stürmer mit einem kurzen Antritt hinter die Abwehr startet und sich die für den späteren Torerfolg wichtigen Meter Vorsprung erarbeitet. Technik beim Passgeber, Präzision bei der Länge des Passes, ein erprobter Laufweg des Stürmers, die Aktionen, von denen eine zum Treffer führte, weisen alle merkmale des Tempo-Spiels auf.
Klar ist Xavi ein besserer Passgeber als Andreas Ottl, Timing und Präzison kann aber trainiert werden, und das macht es um so unverständlicher, dass sich nur zwei Vereine der Liga annähernd dieser Mittel bedienen. Mainz hat diese Spielweise jedenfalls an den Rand des Europa-Cups geführt, ich hoffe das ist genug um andere dem Beispiel der 05er folgen zu lassen. Auf europäischer Ebene sind natürlich die deutschen Top-Clubs gefragt, sich an den neuen Stil zu gewöhnen. Niemand sollte sich darauf ausruhen, die Serie A abgehängt und den vierten  Champions League-platz ergattert zu haben. Das Spiel der Schalker gegen Valencia hat gezeigt, dass der deutsche Vereinsfußball auch von den Spaniern (Barca und Real Madrid freilich ausgenommen) nich weit entfernt ist. Die besten sechs Clubs aus England werden durch das ab 2013 greifende Financial Fair Play wirtschaftliche Vernunft üben müssen.
Bei allem Gejammere über finanzielle Unterschiede, zu geringe Fernsehgelder und angeblich diffuse Geschäftspraktiken, die Männer wie Uli Hoeneß im gesamten nichtdeutschen Europa wittern, sollte das Augenmerk wieder auf den Platz gelegt werden. Junge Spieler müssen technisch und taktisch auf höchstem Niveau geschult werden und Trainer müssen die Zeit bekommen, einer Mannschaft ein Gesicht zu geben. Sind die Trainer dazu nicht fähig, muss Hilfe aus dem Ausland her, und zwar nicht durch Steve McClaren, sondern durch moderne Taktiker. Dann könnte die Bundesliga 2015 oder 2016 wieder eine entscheidende Rolle in Europa spielen.

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