Sonntag, 12. Dezember 2010

Ausgerechnet Labbadia

"Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, wir sind schon darüber hinaus." - "Ich werde jetzt nicht den Fehler machen, alles verändern zu wollen." - "Der VfB Stuttgart ist eine Marke, wie man heute sagt."
Bruno Labbadia war sich bei seiner Vorstellung in Stuttgart für keine Phrase zu schade. Seine Antritts-Pressekonferenz wurde live im Doppelpass übertragen und die fünf Euro, die Matthias Sammer anschließend für seinen Kollegen ins Phrasenschwein einzahlte, waren nach dem wenige Minuten dauernden Auftritt Labbdias eher knapp bemessen. Nicht nur die Runde im Vormittagsprogramm von Sport 1 wunderte sich doch ein wenig über die Personalie, die aus Schwaben gemeldet wurde. Niemand konnte sich vorstellen, dass ausgerechnet der in Leverkusen und Hamburg gescheiterte Labbadia den Karren aus dem Dreck ziehen kann. Tun die Experten ihm damit unrecht?
Nach seiner Entlassung in Hamburg war sich die Fachwelt über den Trainer einig. Ein Aufenthalt in der Türkei sei jetzt das richtige für ihn. Dort kann ein in Deutschland nicht mehr angesehener Übungsleiter Abstand finden und sich neue Lorbeeren verdienen. Im Fall von Jogi Löw hat das Intermezzo sogar eine erstaunliche Karriere ermöglicht. Bei Thomas Doll wirkt der Effekt aktuell noch nicht, aber auch er darf immerhin gelegentlich im Fernsehen als Analytiker auftreten.
Nun ist in Stuttgart zumindest "Gazi", eine Marke für türkische Molkereiprodukte, Hauptsponsor und so findet Labbadia auch im Ländle ein wenig Türkei. Ansonsten hat er sich keinen leichten Job ausgesucht. Erwin Staudt scheint der starke Mann im Verein zu sein. Er predigt seit Jahren Kontinuität und beschwört für den VfB eine Art "Bremer Modell". Andererseits hat er gegenüber den Trainern stets einen nervösen Zeigefinger bewiesen, davor war selbst der große Trappatoni nicht sicher. Außerdem ist Fredi Bobic Sportdirektor. Bisher hat er kaum etwas bewirkt in Stuttgart, hat sich auf Keller als Trainer festgelegt und ist damit gescheitert. Da er selbst aber überhaupt nicht unter Druck gerät, scheint niemand mehr von ihm zu erwarten. Bobic hat es schon immer mit wenig Leistung zu viel Ertrag gebracht. 1996 ist er mit 17 Toren Torschützenkönig der Bundesliga geworden. Nie haben weniger Tore zu diesem Titel gereicht und Gerd Müller, der 1972 den Ball 40 mal über die Linie brachte, lacht sich - frei nach Thomas Doll - doch den Arsch ab über solch eine Bilanz. Bobic kann das, was er tut, sehr gut verkaufen und hat die Öffentlichkeit im Griff. An ihm könnte tatsächlich nur ein Abstieg kratzen, und das setzt natürlich den Trainer um so mehr unter Druck. Viel Spaß also, Herr Labbadia!
Er muss zunächst kurzfristig durch Leistung überzeugen. Die beiden anstehenden Spiele gegen die Bayern werden wenig Aufschluss darüber geben, wie Labbadia die Mannschaft weiterentwickeln kann. Es wird aber Tendenzen geben: Hängt die Mannschaft sich rein? Kann sie dem scheinbar übermächtigen Gegner zumindest zeitweise in Zweikämpfen den Schneid abkaufen? Labbadia kann der Mannschaft neuen Geist einhauchen, weil sie aktuell sein Training noch nicht kennt. Sowohl in Leverkusen als auch in Hamburg warf die Mannschaft ihrem Trainer monotone Übungseinheiten vor. Die Verantwortlichen mäkelten hier wie da an Labbadias eingeschränktem taktischen Verständnis herum. Dass er in der nun hinter ihm liegenden halbjährigen Pause, in der er nach eigener Aussage vor allem Urlaub gemacht hat, viel dazugelernt hat, ist zu bezweifeln. Und so sind nicht die kommenden Spiele der Lackmustest für den Trainer, sondern das Auftreten des VfB gegen Ende der Saison. In der Winterpause einen Trainer zu verpflichten, der eine Haltbarkeit von etwa einem halben Jahr hat, ist gefährlich. Im Sommer ist er noch so erfolgreich, dass er in die folgende Saison starten darf. Im Herbst wird das schon ganz anders aussehen. Dann könnte sich die regelmäßig schwache Hinrunde der Stuttgarter mit den Abnutzungserscheinungen bei Labbadia paaren. Die Folge wäre eine erneute vorweihnachtliche Trainersuche, aus der wahrscheinlich nur Fredi Bobic mit heiler Haut herauskommt.

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