Montag, 29. November 2010

Sündenböcke

Überall rumort es!
Sollte es nicht eigentlich jetzt etwas ruhiger werden in der Liga? Sollten nicht Trainer, Manager und Spieler um eine Kerze herumsitzen, Weihnachtslieder singen und sich von den Geschenken erzählen, die sie den kleinen Rackern zu Hause schon besorgt haben? Was Franck Ribery wohl dieses Mal von seinem Schwager geschenkt bekommt... Da wird in Paris die Straße wieder leergefegt. Es braucht allerdings keine unmoralischen Geschenke über den Kopf von Frau Ribery hinweg, um heftige Dissonanzen im Weihnachtschor der höchsten deutschen Spielklasse zu hören. Überall rumort es, überall rotten sich Haufen zusammen, die Spielern, Trainern Vorständen oder Managern an die Gurgel wollen. Und wie es die Art der Menschen ist, versucht jeder erst einmal, seine eigene Haut zu retten und im näheren Umfeld des Clubs einen Deppen zu finden, auf den er die Wut der Öffentlichkeit abwälzen kann.
Beginnen wir unsere Reise in Stuttgart. Den Schwaben geht es dreckig im Moment. Wenn sie nicht auf den ihnen einprogrammierten Rückrunden-Boom bauen könnten, sähe es gar noch bitterer aus. Platz 17 mit nur elf Punkten auf der Haben-Seite erinnert an beste Babbel-Zeiten, ist aber jetzt Keller und so sollte ein Trainer im Abstiegskampf doch nun wirklich nicht heißen. Damit aber nicht Keller oder gar der Sportdirektor Fredi Bobic den Kopf hinhalten müssen, hat sich der brave Rumäne Ciprian Marica erbarmt und Wolfgang Starck ein Arschloch (also das Wort mit "A" halt) genannt. Abgesehen davon, dass Starcks Körpersprache auf dem Platz die Vermutung nahe legt, dass Marica nicht ganz daneben lag, hätte der Verein von einer blöden Aktion des Stürmers sprechen können, sich aber in die Wagenburg zurückziehen und das Abstiegsgespenst beschwören müssen, es möge doch bitte in Köln bleiben, wo es hingehört.. Stattdessen wird mächtig ausgeteilt. 50.000 Euro muss Marica jetzt zahlen. Das muss ein Drittligist für etwa fünf mal schwere Fan-Ausschreitungen hinblättern. Und Bobic legte verbal nach, nutzte am Wochenende gleich mehrere Fernsehshows um zu erklären, wie abgrundtief falsch das Verhalten seines Stürmers war. Und siehe da, es klappt. Nicht eine Frage erreichte Bobic zu seiner eigenen bisher überschaubaren Arbeit oder die bedenklich früh auftretenden Abnutzungserscheinungen bei Jens Keller. Bei all dem Getöse um Maricas roten Karton ist es um Hugo Almeida erstaunlich still geblieben.


Fahren wir in den Westen und schauen uns einmal das Krisengebiet um Rhein und Ruhr an. Von Süden kommend landen wir zunächst in Köln, wo heute Manager Michael Meier dran war. Angeblich 24 Mio. Euro Schulden angehäuft, miese Neueinkäufe, das klingt nach einem schlechten Zeugnis für den Manager. Vielleicht wird aber auch mit Meier nicht gerade fair umgegangen. Seinen Ruf als eisernes Sparschwein hatte er schon in Dortmund weitgehend abgelegt. Die Kölner können also nicht allen Ernstes geglaubt haben, mit Meier einen Sanierer zu holen. Trotzdem zeigte sich die Domstadt einigermaßen erstaunt, als das letzte Fass Kölsch für den nächsten Portugiesen der Marke Ü30 draufging. Maniche zum Beispiel hatte sich längst damit abgefunden, nur noch in Russland ein bisschen Kohle zu machen und dann abzutreten. Und dann war ein westeuropäischer Club sogar noch bekloppt genug, ihm wieder einen Vertrag zu geben. Seit dem Abgang von Christoph Daum zu seiner einjährigen Herzensangelegenheit in der Türkei läuft es nicht mehr und nur der Präsident Wolfgang Overath entwickelt noch einiges Geschick beim Abschieben von Schuld. Zunächst musste Soldo gehen, und Frank Schäfer wurde installiert. Als der Mob dann von der verwüsteten Trainerbank zur Haupttribüne weiterzog, warf Overath den Massen seinen Manager vor die Füße. Das wird erstmal reichen für die hungrige Meute, wird sich Overath denken. Mal sehen, wer der nächste ist, der geht. Es laufen Wetten, ob der Präsident oder der Geißbock am Spielfeldrand das schwächere Glied in der Kette sind.

Bei Schalke und Gladbach verhält sich die Situation etwas anders. Das Wasser steht den Verantwortlichen hier erst etwa bis zur Brust, und so sind es noch die Trainer, die einen Schuldigen suchen. Und wieder beobachten wir gängiges menschliches Verhalten, sie keilen nach unten aus. Die Spieler sind die Schuldigen und das Patentrezept ist hartes Training. Michael Frontzeck will in Zukunft mehr trainieren und hat kurzfristig ein Trainingslager in Holland (!) angesetzt. Felix Magath fängt gar täglich eine Stunde früher mit den Übungseinheiten an (Oh Gott!), hat den Weihnachtsurlaub auf sechs Tage gekürzt (Nein!) und es geht zum Schwitzen sogar in die Türkei (Um Himmels Willen!). Wirksam werden diese Maßnahmen nicht sein, aber das Publikum bekommt suggeriert, an welcher Stelle geschraubt werden muss. Gut, dass es noch Clemens Tönnies gibt. Er meinte, der Trainer und Manager müsse ihm jetzt erklären, wie er da unten wieder rauskommen will. Mal sehen, was die beiden zum Rapport zitierten Felix und Felix sich noch einfallen lassen, um nicht am Ende selbst als Sündenbock dazustehen. Denn das heißt entweder Überstunden, Geldstrafe oder Rauswurf.

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