Donnerstag, 3. September 2009

Die Russen kommen!

Kommt es mir nur so vor, oder hat sich die ganze Welt gegen Russland verschworen. Statt dankbar zu sein, dass die Oligarchen im eigenen Land nicht mehr wissen, wohin sie ihr Geld stecken sollen und es statt dessen in unsere Volkswirtschaften pumpen, treten wir Westeuropäer unseren reichen Gästen distanziert, fast ablehnend gegenüber. Dem Reichtum der Geschäftsmänner aus den ehemaligen Sowjet-Staaten haftet in unserer Betrachtung immer etwas Verruchtes, Kriminelles an. Spätestens seit Guy Ritchies Film "Rock'n'Rolla", in dem ein zwielichtig daherkommendes Abramowitsch-Double mit Büro im Wembley-Stadion auftritt, hat die westliche Kultur den Welteinkäufern von der Wolga den Krieg erklärt. Gemessen an der allgemein üblichen Reaktionszeit für Sportverbände hat die FIFA jetzt erstaunlich schnell nachgezogen, und dem FC Chelsea und dessen Eigner Roman Abramowitsch das Geld ausgeben verboten.
In den kommenden zwei Transferperioden darf der aktuelle Spitzenreiter der Premier League, wenn es nach der FIFA geht, keine Spieler kaufen und wird mit dem Rumpfkader von jungen Spielern und Vertragsamateuren, die Trainer Carlo Ancelotti im Moment zur Verfügung stehen, eineinhalb Jahre auskommen müssen. Das Beispiel des FC Sion, der eine ähnliche Strafe erhielt, gegen den die Sanktionen jedoch auch zunächst vom internationalen Sportsgerichtshof in Lausanne auf Eis gelegt wurden, zeigt, dass Chelsea wahrscheinlich schon Spieler verpflichten wird. Der Vorgang macht aber deutlich, wie der Romantiker Blatter inzwischen die FIFA als Gegenspieler, nicht der Russen, sondern allgemein zu den Reichtum anhäufenden Großvereinen geprägt hat. Dass der Weltfußballverband das vor allem als Reichtum anhäufender Verband tut, ist ein anderes Thema. Die Strafe gegen den FC Chelsea ist jedenfalls drakonisch und wird den Beisgeschmack nicht los, dass an dem Verein, der wie kein anderer die Kommerzialisierung des Fußballs symbolisiert, ein Exempel statuiert werden soll, und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Sportrichter in Lausanne die Strafe zumindest abmildern werden. Die Fixierung der Öffentlichkeit auf den Verein als Übeltäter ist alleine schon daran abzulesen, dass auf das Bosman-Urteil und den Fall Webster eben nicht die Kakuta-Strafe sondern das Urteil gegen Chelsea folgte. Der junge Gael Kakuta, der gerade eine Knöchelverletzung auskuriert und obendrein noch für vier Monate gesperrt wurde, ist zur Randerscheinung der Handlung geworden, dabei hatte streng genommen er selbst seinen Vertrag nicht erfüllt und wurde durch den Premier League-Club allerhöchstens dazu angestiftet. Das Urteil der FIFA ist weniger ein Schlag gegen den FC Chelsea oder dessen jungen Spieler, sondern vielmehr ein Signal, ein weithin zu vernehmendes Statement, dass sich gegen gängige Praktiken im Profifußball stellt. Gegen horrende Ablösesummen, gegen den Verkauf von Pubertären über Kontinente hinweg, gegen die wachsende Macht der Vereine im Allgemeinen. Joseph Blatter hat für die nächste U20-WM eine Abstellungspflicht angedroht. Da dient die Härte im Vorgehen gegen den FC Chelsea als gelungene Machtprobe.

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