Donnerstag, 24. September 2009

Déjà-vu

Das hatte er doch alles schon einmal irgendwo erlebt. Die knappe Führung in der Verlängerung, drei zu zwei, das Spiel im Griff. Da muss der Ball nur noch in den eigenen Reihen gehalten werden, und dann, aus dem Nichts, der Ausgleich. Elfmeterschießen. Es war ein lauer Spätsommerabend in Osnabrück und Bruno Labbadia hatte den Film schon einmal gesehen, nämlich eine Pokalrunde zuvor in der Düsseldorfer Arena. Wieder spielte seine Mannschaft ein lustloses Spiel gegen einen unterklassigen Gegner, wieder trugen die Spieler diese Puma-Trikots mit den weißen Streifen über der Leber, nur dieses mal in violett, und wieder prangte die Sparkasse als Sponsor von der Brust des aufopferungsvoll kämpfenden Außenseiters. Wieder gingen die seinen in der Verlängerung in Führung, was den kraftlosen Drittliga-Kickern eigentlich schon den Zahn gezogen hatte. Und wieder wurde es spannend. Vielleicht war Bruno Labbadia fast erleichtert, dass gestern wenigstens der Ausgang ein anderer war.
Das Déjà-vu war nur fast perfekt. Warum tut sich der HSV gegen Mannschaften wie Düsseldorf, Wien oder Osnabrück so schwer und fegt ohne mit der Wimper zu zucken den Tabellen-Ersten und -Dritten der vergangenen Saison aus dem Stadion? Auf den ersten Blick klingt das nach einem Motivations-Problem der Spieler. Ein Schuß Arroganz, eine Prise Überheblichkeit, und schon kann ein Spiel wie das gegen Osnabrück noch einmal aus der Hand gegeben werden. Die Bayern, das sagt die Erfahrung, hätten dieses Spiel gewonnen. Die Münchener sind fähig, in einer Verlängerung grausame neunzig Minuten wegzuschieben und neu anzufangen. Diese Fähigkeit ging den Hamburgern, die ein dummes Handspiel im Strafraum in der Nachspielzeit benötigten, um überhaupt erst das Déjà-vu ihres Trainers weiter nähren zu können, völlig ab. Fast verschämt ob ihrer Leistung in der regulären Spielzeit schienen sie den Osnabrückern den Sieg dann doch noch irgendwie schenken zu wollen. Die Elfmeter-Schwäche, die unsäglicherweise noch nicht in Düsseldorf zu Tage getreten war, rundete den Abend aus hanseatischer Sicht ab. Bruno Labbadia wirkte bereits im zweiten Pflichtspiel-Monat bei seinem neuen Verein ratlos, fast verzweifelt, ähnlich wie nach dem Desaster von Wien. Damals hatte er den Gegner nach dem Spiel plötzlich stark geredet und hob hervor, was in Österreich für ein guter Fußball gespielt wird. Ein ähnliches Lied weiß Maccabi Haifa zu singen, das zwei mühsame Siege benötigte, um den österreichischen Spitzenclub RB Salzburg aus der Champions' League-Quali zu werfen.
Es gab vor der Saison nicht wenige Unken, die Labbadia und seinem neuen Club eine Bauchlandung vorausgesagt hatten. Die Nachrufe auf den Jung-Trainer aus Leverkusen über seine angeblich mangelnde taktische Bildung taten ihr Übriges. Die vergangene Rückrunde, deren Verlauf man in Leverkusen gerne auf den Umzug nach Düsseldorf schiebt, wurde von Insidern auch Labbadia angelastet, und so rätselt die Bundesliga, ob Leverkusen wieder einbricht, weil sie in der Rückserie einfach immer einbrechen, ob der HSV einbricht, weil Bruno Labbadia eine Mannschaft nur ein halbes Jahr auf Trab halten kann, oder ob beide einfach weitermarschieren, weil's wirklich am Umzug nach Düsseldorf lag. So oder so müssen die Hamburger weiter mit dem Risiko leben, einen Trainer verpflichtet zu haben, dem sein vorheriger Arbeitgeber kein Zeugnis mit der Note Eins ausgestellt hat. Das ist kein Thema, solange die Volkswagen-Arena gestürmt und Stuttgart souverän nach Hause geschickt wird. Aber nach einem Pokal-Aus in Osnabrück und einer Heimniederlage gegen die Bayern?

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