Montag, 21. September 2009

Bierzeltatmosphäre

In schwierigen Situationen gibt es häufig einzelne Momente, in denen auch den Gepeinigtesten das Glück milde zulächelt. So ist es auch Jens Lehmann geschehen. Er hat bestimmt nicht damit gerechnet, dass er für seinen kleinen Ausflug auf ein großes Münchener Volksfest gleich suspendiert wird, aber er wusste, dass er den Spaßtrip nicht mit seinen Vorgesetzten abgesprochen hatte. Eine Ahnung, dass es ein bisschen Ärger geben könnte, muss der Zettel-Ewald unter den Torhütern also gehabt haben. Vielleicht gefällt es ihm auch deshalb so gut, dass er neben der Frau Platz nehmen durfte, die das beschauliche Leben eines seiner ehemaligen Konkurrenten um den Platz im Tor der Nationalmannschaft durch ihr keckes Auftreten im P1 so nachhaltig durcheinander brachte, dass dieser gewisse Oliver Kahn, das Leben entdeckend, auf dem Platz plötzlich zu Fehlern neigte, die WM im eigenen Land von der Bank aus sah und Lehmann schließlich ermöglichte, zum Helden zu werden. Die Rede ist natürlich von Verena K. Lehmann wird sich kurz überlegt haben, ob ein Foto in Deutschlands größter Tageszeitung die geeignete Vertuschungsmaßnahme für seinen Ausflug sein würde, aber nach einem Blick neben sich überwog scheinbar die Freude an der Situationskomik.

Mit der Frage, ob diese junge Dame nun den zweiten alternden Torwart den Spätabend seiner Karriere kostet, lässt sich vielleicht eine etwas sachlichere Perspektive auf die Vorkommnisse in Stuttgart finden. Horst Heldt und Markus Babbel haben ihren Torwart vor dem Spiel in Lübeck suspendiert. Lübeck hat zwar völlig überraschend in der ersten Pokalrunde den FSV Mainz 05 ausgeschaltet, dürfte aber selbst für schwächelnde Schwaben ein machbarer Gegner sein. Es fällt also leicht, vor einem solchen Spiel Stärke zu beweisen. Horst Heldt ist einen Monat, Markus Babbel sogar drei Jahre jünger als Lehmann. Möglich, dass die beiden das Bedürfnis hatten, ihrem Angestellten die Grenzen aufzuzeigen und zu demonstrieren, wer der Herr im Haus ist. Es mutet jedoch reichlich übertrieben an, für Donnerstag ein weiteres Gespräch mit dem Spieler anzukündigen und dann über weitere Konsequenzen sprechen zu wollen. Das ist dann doch ein bisschen dick aufgetragen für einen unangekündigten Auftritt im Bierzelt, der obendrein noch im Rahmen einer Charity-Veranstaltung stattfand. Da drängt sich der Eindruck auf, dass die Krise um die spielerische Armut, die große Ratlosigkeit und die zählbare Erfolglosigkeit des Teams hinter den Vorhang einer Posse um einen ohnehin polarisierenden und sich daher als Zankapfel sehr gut eignenden "Führungsspieler" gezerrt werden sollte. Gegen Lübeck wird es für Babbel schon irgendwie hinhauen, und am Donnerstag würde alles andere als eine Versöhnung schon sehr verwundern. Auch Lehmann dürfte es letztlich verschmerzen, die Reise nach Lübeck nicht antreten zu dürfen. Erst am kommenden Samstag in Frankfurt wird sich zeigen, ob Babbel nicht nur mit flüchtigen Torhütern, sondern auch mit einer desolaten Mannschaft umgehen kann. Falls nicht, könnte schnell Lehmann derjenige sein, der seinen Trainer als Angestellter des VfB überdauert.

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