Sonntag, 26. April 2009

Identifikation

Die härteste Bundesliga aller Zeiten! Klingt wie ein jährlich repetierbarer Slogan, ist aber ausnahmsweise Tatsache. Selten traf die Mär, dass in dieser Liga jeder jeden schlagen kann, so zu wie in dieser Spielzeit. Dabei gibt es dieses Jahr durchaus Clubs, die das Zeug haben, die Konkurrenz zu kontrollieren, aber in den entscheidenden Momenten scheint selbst den bisher so starken Wolfsburgern der Schreck in die Glieder zu fahren und die Beine zu lähmen. Von einem Wolfsburger Sieg in Cottbus sind alle ausgegangen, am deutlichsten heraufbeschworen hat den Ausrutscher der Autostädter allerdings Kathrin Müller-Hohenstein im Aktuellen Sportstudio, als sie den Cottbusern zwar nicht „zu nahe treten wollte“, aber fest einen Wolfsburger Sieg in die noch unvollständige Tabelle hineinrechnete.
Die Gier nach der Demütigung der Bayern und der – jetzt darf man’s ja wieder sagen – bevorstehenden Kreuzigung Jürgen Klinsmanns ließ alle Experten nach einem Wolfsburger Sieg und dem winkenden Fünf-Punkte-Vorsprung geifern. Einzig, der Sieg blieb aus und damit sind, auch die Sensationstruppe des DSF mit Starreporter Christian Ortlepp muss das registrieren, die Bayern wieder mittendrin statt nur dabei im Titelrennen. Nach der Breitseite, die Jürgen Klinsmann in den vergangenen Wochen von Medien, Fans, so genannten Experten und seinen eigenen Vorgesetzten auszuhalten hatte, würde es fürstlich amüsant sein, wenn die Bayern jetzt doch wieder Meister werden, man denke an 2001.
Vieles spricht allerdings auch dafür, dass der deutsche Meister 2009 nicht aus der bayrischen Landeshauptstadt kommen wird. Das Spiel gegen Schalke war in vielerlei Hinsicht ein Offenbarungseid. Franck Ribery erweist sich in entscheidenden Situationen als charakterschwache Diva, die mittlerweile in jedem Spiel für eine Tätlichkeit oder mindestens ein unnötiges Frustfoul gut ist. Jürgen Klinsmann selbst beginnt, die Misere auf Verletzungen und Schiedsrichter-Entscheidungen zu schieben. Der Vorstand schützt sich mal wieder selbst und schweigt und Franz Beckenbauer offenbart eine schon ekelhafte Doppelmoral der Bayern-Spitzen, indem er bemängelt, dass Klinsmanns Spiel zu offensiv und ungestüm sei. Fußball habe auch mit Hirn zu tun, polterte der Kaiser bei Premiere und vergaß wohl für einen kurzen Moment, warum sie einst Ottmar Hitzfeld vom Hof gejagt hatten. Und Beckenbauer legte nach. Sympathisch sei es, dass Markus Babbel nicht offen sagt, dass er Meister werden will. Das muss ja nicht alles gegen Klinsmann gehen, aber der Kontrast wird schon deutlich. Wird Babbel etwa der Klinsmann-Nachfolger? Aus alter Verbundenheit? Das Bild, das der Rekordmeister gerade abgibt, dürfte den Aufsteiger aus Stuttgart und einige seiner prominenten Kollegen jedenfalls abschrecken. Einer würde in jedem Fall kommen. Wenn Uli Hoeneß in Israel anrufen würde...
Freude konnte der Fan hingegen am Jubel des jungen Schalker Torwarts Manuel Neuer haben. Er persiflierte Oliver Kahn und zeigte Tugenden, die in der Bundesliga eigentlich schon nicht mehr erwartet werden. Verbundenheit mit dem Verein, Traditionsbewusstsein, Zusammengehörigkeit mit den Fans, kurzum Identifikation mit dem Arbeitgeber. Schön, dass es noch Fußball spielende Fans in Deutschland gibt.
Die tragischen Helden der Saison werden (leider) aus Hamburg kommen. Sie erinnern zur Zeit ein wenig an Bayer Leverkusen in der Jahrhundertsaison 2001/2002. Am Ende gab es damals viele Komplimente aber keine Titel. In der Folgespielzeit kam der Niedergang, in der erst Klaus Toppmöller den Ernst der Lage nicht erkannte und dann jede Spielkultur von einem überforderten Thomas Hoerster abgetötet wurde. Am Ende eines sportlichen Debakels stand Klaus „Auge“ Augenthaler, der die Werkself dann doch noch vor dem Abstieg rettete und Calli zum weinen brachte. So schlimm wird es Hamburg nicht treffen, weil Martin Jol der bessere Trainer als Toppmöller ist. Die Gefahr eines Absackens besteht, sollte es in dieser Saison nur für Platz 5 reichen, jedoch auch in der Hansestadt.

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