Mittwoch, 29. April 2009

Goodbye Netanya


Zwei Tage habe ich mir als Frist gesetzt, um alles, was erst einmal an Meinungen zum Rauswurf von Jürgen Klinsmann auf den Markt gespült wird, abzuwarten und mir einen Überblick zu verschaffen. Die einzig erlangte Erkenntnis ist jedoch folgende: Die Bayern haben ihren Trainer gefeuert. Na und? Überrascht die Entlassung? Nein! Überrascht die erzkonservative Lösung mit Jupp Heynckes, die das Rad der Geschichte in München wieder um mehrere Jahrzehnte zurückdreht? Nein! Überrascht der Stil der Entlassung, die Seitenhiebe von Uli Hoeneß, etwa, dass der FC Bayern im kommenden Jahr einen fähigen Trainer haben wird? Nochmals Nein. Es ist also vielmehr überraschend, dass der Fall solche Wellen schlägt und es ist sehr erfreulich, dass die Presse den FC Bayern und seine vielgestaltigen Lautsprecher keine „Endlich ist er weg!“-Stimmung verbreiten lässt.
Lothar Matthäus hat, man nenne es Zufall, heute seinen Vertrag in Netanya gelöst, und nach dem rührenden Berwerbungsmonolog von Olaf Thon im letzten Doppelpass stünde auch schon ein fähiger Manager bereit. Jedenfalls hat er nach eigener Auskunft große Erfahrung im „repräsentativen“ Bereich. Meint er damit Hände schütteln in den Logen der Arena? Ich werde mich jedenfalls vorerst nicht an Spekulationen um Rijkaard, Scholl, Jol oder Kahn beteiligen und verweise auf die genannten Favoriten. Zumindest medial würde die Bundesliga dann ein Spektakel erwarten, wie sie es seit den alten Zeiten mit Daum und Calli in Leverkusen und der Episode mit den heißen Kohlen nicht mehr erlebt hat.
Themawechsel: Gestern abend hat der FC Chelsea einen großen Schritt in Richtung Wiederholung der Champions League-Finalteilnahme gemacht. Das 0-0 in Barcelona bot gerade in der zweiten Hälfte viel, nur keine Tore. Wenn Kommentatoren erzählen, der Zuschauer sehe gerade ein Spiel, das Trainern gut gefällt, ist das immer das Eingeständnis, dass es auf dem Feld nicht besonders ansehnlich zugeht. In der durchgestylten Premiere-Fußballwelt, in der Kritik am Produkt Abonnenten verprellen könnte, ist der Spruch mit dem Trainer-Spiel zum Code für einen Gurkenkick auf hohem Niveau geworden, in seiner Bedeutung ähnlich wie der Satz „Er war stets bemüht“ im Arbeitszeugnis. Dem gestrigen Spiel wurde diese von Marcel Reif viertelstündlich wiederholte Feststellung jedoch nicht gerecht. Die Chancen auf beiden Seiten, der großartig haltende Petr Cech, die Ballsicherheit des Mittelfelds der Katalanen und die taktische Disziplin des FC Chelsea konnten auch Fernseh-Zuschauer ohne eine mit dem Sammer-Siegel bescheinigte Fußballlehrer-Ausbildung unterhalten. Heute abend wird es vermutlich heftiger zur Sache gehen, und vielleicht unterhält das heutige Halbfinale nicht nur, vielleicht begeistert es ja sogar.
Das am Donnerstag anstehende Halbfinale im Cup der Verlierer zwischen dem HSV und dem SV Werder spielt eher den Gästen von der Elbe in die Karten. Sie haben zur Zeit jede Ruhepause nötig, scheinen mit ihren Kräften am Ende. Die Attacken auf den sonst immer, nicht aber in Dortmund kritikwürdigen Schiedsrichter Kempter zeigen zudem, dass das Nervenkostüm erheblich angekratzt ist. Der HSV wird daher froh sein, zunächst das Auswärtsspiel vor der Brust zu haben und nicht schon im ersten Aufeinandertreffen für eine Vorentscheidung sorgen zu müssen. Das Heft des Handelns liegt in der Hand der Bremer, die, weil sie sich wieder auf Diego verlassen können, dieses Spiel auch gewinnen werden. Die Hamburger werden im Rückspiel eine gute Portion Resteuphorie als Motor für die müden Knochen benötigen, wollen sie doch noch nach Istanbul fahren. 

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