Dienstag, 21. April 2009

240 Stunden

Peter Neururer ist das Vorbild. So wie er sollten alle deutschen Trainer sein. Vielleicht ohne den Retro-Schnauzer und mit einer fescheren Frisur, aber was die Ausbildung angeht, sollte sich jeder Trainer an Peter dem Großen orientieren. Peter Neururer ist der einzige diplomierte Sportlehrer im Bundesliga-Zirkus. Was sich wie Satire liest, versetzt den Betrachter in einen schauderhaften Blickwinkel auf die momentane Diskussion um Markus Babbel und dessen Trainer-Ausbildung. Der ehemalige Abwehrspieler des FC Bayern und des FC Liverpool führt eine junge Stuttgarter Mannschaft gerade in Richtung Champions League und der Laie würde sagen, dass er seinen Job daher ganz gut beherrscht. Matthias Sammer hingegen ist kein Laie und hatte den Verfall der Trainer-Ausbildung in Deutschland behandelt, als sollte der Papst über die Abschaffung katholischer Gottesdienste befinden. Das Ergebnis war ein Feldzug gegen die scheinlosen Trainer, diese Kurpfuscher, die den deutschen Fußball in die Steinzeit zurückzerren und unsere Talente verderben. Matthias Sammer hat seinen Trainerschein, der ihm den Meistertitel und das UEFA-Cup-Finale mit dem BVB bescherte, in 240 Stunden erworben. Damals gab es einen Sonderlehrgang für verdiente Nationalspieler. Der Fußball scheint seit dem Jahr 2000 so modern geworden zu sein, dass der DFB-Sportdirektor seine eigene Rumpelausbildung anzweifelt und künftige Taktikfüchse wieder anständig schulen will. Aber ist das nötig?

Markus Babbel hat die Truppe von Armin Veh übernommen und ihr, sei es wegen taktischer Maßnahmen oder purer Motivationsarbeit oder einer Mischung aus beidem, neues Leben eingehaucht. Er hat aus einer Mannschaft, der die Presse Qualität und Charakter abgesprochen hatte und in der Mario Gomez der einzige Profi von Format zu sein schien, einen allgemein anerkannten Anwärter auf die Meisterschaft 2009 gemacht. Natürlich arbeitet Babbel nicht allein und wird in Fragen der Trainingslehre sicher gern auf seine erfahrenen Co-Trainer zurückgreifen. Die Verantwortung aber übernimmt er letztlich allein und muss diese Bürde zur Zeit nicht fürchten. Franz Beckenbauer wird ohne Trainerschein Weltmeister und UEFA Cup-Sieger, Babbel erreicht womöglich aus dem Mittelfeld der Liga heraus noch die Champions League, und das alles, ohne die Schulbank zu drücken. Woran mag das liegen?
Es ist ja nicht so, dass der VfB Stuttgart Anfängern und Quereinsteigern hochdotierte Spielerverträge anbietet. Wer bei einem Bundesligisten, der europäisch spielen will, anheuert, beherrscht sein Handwerk in der Regel, auch wenn er noch ein junger Spieler ist. Ein Trainer muss in diesen Sphären eine Mannschaft führen können, taktisch begabt und ein guter Analyst und Motivator sein. All das kann ein erfahrener Ex-Profi auch ohne Trainer-Schein bieten. Anders verhält es sich im Jugendfußball. Hier ist ein Trainerschein dringend notwendig, damit nicht jeder Freizeitkicker meint, er könne den Jungs jetzt mal was beibringen. Wenn die Grundlagen geschaffen werden, muss der Trainer auch wissen, wie er sie vermittelt, sonst verlieren wir gegenüber Holland, Frankreich und England wieder an Boden. Im Profibereich spielt das keine Rolle mehr. Hier muss der Trainer seine Mannschaft taktisch und spielerisch auf Trab halten, beides Bereiche, die ehemalige England-Profis wahrscheinlich besser aus eigener Anschauung kennen als die Sporthochschule Köln.
Matthias Sammer sollte seine Rettungsaktionen daher eher auf seinen Tätigkeitsbereich erstrecken, der beim DFB nun einmal hauptsächlich im Amateurfußball liegt. Der Fall Babbel hat offen gelegt, dass für die DFL mit ihren 36 Wirtschaftsunternehmen dringend eine Sonderrolle geschaffen werden muss.
Ach so, und warum Peter Neururer außer als Fachmann immer wieder ein Genuss ist, lest Ihr hier und hier.

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