Samstag, 21. März 2009

Blind Date

Rheda-Wiedenbrück. Ein kleines Hotel, in aller Abgeschiedenheit. Hinter verschlossenen Türen treffen sich zwei, die sich auf eine Art Blind Date eingelassen haben. Klar, man kennt sich aus der Bundesliga, von unzähligen Vergleichen zwischen Schalke und dem FC Bayern. Aber dass sich Clemens Tönnies und Oliver Kahn noch mal anlässlich einer Stellenausschreibung gegenübersitzen, schien undenkbar. Jetzt ist es aber so weit, und da Uli Köhler von Sat1 schwer davon ausgeht, dass die beiden sich auch beruflich finden werden, müssen wir uns jetzt damit auseinandersetzen. Kahn auf Schalke.
Schalke braucht einen starken Mann, der durchgreift und sich nicht in die sprichwörtliche Suppe spucken lässt. Kahn ist immer das gewesen, was ein Alpha-Tier genannt wird, der Boss, nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Und fragt mal unverbindlich bei Thomas Brdaric, Andi Herzog oder Heiko Herrlich an, ob der Torwart-Titan ein zupackender Mensch ist. Natürlich wird sich Oliver Kahn anderer Mittel bedienen müssen, um den Laden bei Schalke am Laufen zu halten, aber der Wille zu einem ausgeprägten Durchsetzungsvermögen ist ihm nicht abzusprechen.

Der Manager des FC Schalke braucht auch eine gute Außendarstellung. Nun ja, Oliver Kahn hatte legendäre Auftritte vor der Kamera, wirkte als Experte im ZDF aber oft hölzern und seltsam angestrengt. Ihm gehen der Charme eines Oliver Bierhoff, die Versicherungsvertreter-Mentalität eines Jürgen Klinsmann und die Originalität eines Otto Rehhagel ab. Kahn ist sachlich, aber kein Plauderer. Die Frage ist, ob neben Tönnies und Schnusenberg nicht gerade ein Plauderer ein Gegenwicht bilden muss, oder ob ein dritter Plauderer dann doch zu viel wäre. Kahns Art der Kommunikation kann also einen Vorteil oder einen Nachteil darstellen. Jedenfalls wäre er der interessanteste Ansprechpartner für die Medien und würde die Außendarstellung zunächst in einen Kanal, nämlich seinen, leiten. Das kann für Babylon 04 auf keinen Fall verkehrt sein.
Andi Müller wurde vor allem wegen seiner Fehleinkäufe gefeuert. Kahn muss sich, um nicht in Erklärungsnöte zu geraten, auf dem Transfermarkt beweisen und Knaller liefern. Entweder Weltstars oder erstklassige Nachwuchs-Kicker können nur das Anforderungsprofil sein. Rutten wird, wenn er denn dann noch Trainer ist, den Blick nach Holland richten um noch ein paar Engelaars zu verpflichten. Kahns Jagdrevier sehe ich eher in der Bundesliga, er hat ja noch nie fußballerisch einen Fuß ins Ausland gesetzt. Ansonsten gilt er eher als England-affin, alte Seilschaften (z. B. Elber) könnten seinen Blick zudem nach Südamerika lenken. Das Ergebnis könnte die selbe Transferpolitik bedeuten, die Schalke bisher gefahren ist  und die Fans dürfen sich über Vicente Sanchez, Peter Lövenkrands und Orlando Engelaar 2.0 freuen.
Andi Müller (und der verschonte Rutten) wurden vor allem von den Fans hingerichtet. Dass Schalke auch oder gerade bei den Anhängern beliebte Leute entlässt, haben wir beim Fall Rangnick und dessen Ehrenrunde gesehen. Gefährdeter sind aber natürlich diejenigen, die der Mob als Sündenböcke auserkoren hat. Kahn darf sich keine Illusionen machen, dass er irgendwelche Vorschusslorbeeren bekommen wird. Er wird vom ersten Tag an auf dem Prüfstand stehen. Das klingt nach immenser Bürde, bedenkt man aber, dass King Kahn als Spieler immer wieder erklärt hat, dass er es liebt, wenn das ganze Stadion gegen ihn ist, und dass ihn nichts anderes mehr motivieren kann, wäre die Veltins-Arena die erste Adresse. Es wäre, so krank es klingt, irgendwie schlüssig, dass sich Kahn ausgerechnet Schalke aussucht. Fraglich ist, ob die obligatorischen Bananen im Fall des Misserfolgs auch auf die Ehrentribüne fliegen. Oder der ehemalige Welttorhüter beweist Humor, und spendiert zum ersten Heimspiel 60.000 Chiquita-Bananen und bei jedem Tor werden Affenlaute eingespielt. Alles denkbar in diesen Zeiten.
Die mangelnde Erfahrung dürfte keine große Rolle spielen, die Rolle des Lehrlings dürfte Kahn gerade in der Anfangszeit sogar vor allzu harscher Kritik schützen. Müller war lange in die Lehre gegangen und hat letztlich versagt und ein Horst Heldt hat in Stuttgart einen Kaltstart hingelegt und sich binnen kürzester Zeit etabliert. Es wird wohl eher auf den Manager-Typ Kahn ankommen.
Fragen wir uns noch kurz, was Oliver Kahn überhaupt auf Schalke will. Den Aspekt, dass er sich als gehasster Manager mutmaßlich wohler fühlen wird als wenn er geliebt wird, habe ich ja bereits angesprochen. Schalke ist, trotz aller Turbulenzen, natürlich auch eine große Chance für Kahn. Mit ein bisschen Glück führt er den Club zurück in die Champions League und bringt vorübergehend Ruhe in den Laden. Dann gilt er in Zukunft schon als fähiger Mann, vielleicht sogar als Schwergewicht der Branche. Schafft er es nicht, werden ihm mannigfaltige Ausreden zur Verfügung stehen und nach der Posse um Andreas Müller wird der schwarze Peter schnell bei Tönnies, Schnusenberg und Peters liegen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Kahn eigentlich schon einmal als Nachfolger von Uli Hoeneß festzustehen schien. Dass jetzt ein Christian Nerlinger gehandelt wird und von Kahn kein Mensch mehr spricht, muss dem langjährigen Kronprinzen wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen. Möglich ist also auch, dass sich das bockige Kind krampfhaft einen neuen Sandkasten sucht und seinen alten Spielgefährten die kalte Schulter zeigt.
Wahrscheinlich wird Kahn sowieso kein Manager auf Schalke und wir können das alles wieder vergessen. Sollte es allerdings doch so kommen, zeigen ein paar Überlegungen, dass dieses so windig daherkommende Unternehmen nicht so sehr zum scheitern verurteilt ist, wie ich und viele andere auf den ersten Blick gedacht haben. 


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