Montag, 2. Februar 2009

Winterschlussverkauf

Da kann einem ja ganz schwindelig werden. Erst tut sich wochenlang gar nichts in Fußball-Deutschland, und dann werden wir mit dem ersten Bundesliga-Spieltag der Rückrunde und dem sich sachte schließenden Transferfenster gleich doppelt belohnt. Etwas sang- und klanglos hat sich dabei ein alter Bundesliga-Recke verabschiedet, an den sich der Fan schon so gewöhnt hatte wie damals an Carsten Ramelow oder Carsten Jancker. Carsten, nein, Fabian Ernst verlässt den FC Schalke 04 und begibt sich dorthin, wo bisher nur Trainer die Strafrunden ihrer Karriere drehen mussten, ehe sie wieder salonfähig für die Bundesliga wurden. So hätte man eher damit gerechnet dass Frank Pagelsdorf, Thomas Doll, Mirko Slomka oder ein ähnlicher Vertreter den Weg an den Bosporus antritt, stattdessen wagt auch mal ein Spieler dem Umweg über die Türkei, weil er hierzulande nicht mehr allzu hoch im Kurs steht. Mir wird Fabian Ernst fehlen, dieser Fixstern im Meteoriten-Gewusel eines Fußballspiels, dieses Auge des Wirbelsturms, diese Tipp-Kick-Figur der Bundesliga. Wie kein zweiter Profi konnte Fabian Ernst jedem noch so vehementen Anflug von Spieltempo den Wind aus den Segeln nehmen. Mit Fabian Ernst verliert die Liga ihren letzten großen Könner des Querpasses.


Fraglich ist, bei so vielen richtigen Entscheidungen der Schalker auf einmal, warum sie nicht auch gleich Kevin Kuranyi vor die Tür gesetzt haben. Der Dauerkonkurrent von Mario Gomez im Vergeben von Großchancen hätte sicher auch in der Türkei noch einen Job gefunden. Rudi Assauer hätte ihn als menschlichen Präsentkorb zu Fabian Ernst einfach mitgeliefert und kein großes Aufheben darum gemacht. Der SportBild hätte er gesteckt, es sei der Wunsch des Spielers gewesen, mit Fabian zu Besiktas zu gehen. Kuranyi selbst hätte es wohl erst beim Überstreifen des schwarz-weißen Trikots bemerkt, denn mit diesen Farben dürfte er endgültig abgeschlossen haben. Bleibt noch die Frage, was der HSV mit Albert Streit will. Ich habe keine Ahnung.

Erwähnenswert ist noch, dass Toni Kroos auf eigenen Wunsch nach Leverkusen geht. Nachdem auch Eren Derdiyok schon Hoffenheim, Everton und anderen abgesagt hat, und sich damit für die Werkself aufspart, hat auch den jungen Münchener das Bayer 04-Virus befallen. Als Düsseldorfer muss ich jetzt natürlich sagen, dass die alle nur einmal in ihrem Leben in der LTU-Arena spielen wollen. Spaß bei Seite, aber im Prinzip ist es so. Der wahre Grund dürfte auf einer grundlegenden Fehleinschätzung der Jungprofis beruhen. Das Bild, dass sie von Bayer in den vergangenen Jahren gewonnen haben, ist das des sympathischen Ausbildungsvereins, bei dem sich junge, vornehmlich deutsche Hoffnungsträger in Ruhe mausern können und nicht dem Haifischbecken FC Bayern ausgesetzt sind. Dieses Bild traf bis zu dieser Saison zu, wer aber denkt, dass sie heute einen Toni Kroos in Leverkusen unbedingt brauchen, hat das letzte halbe Jahr verschlafen. Leverkusen will in die Champions League, hat berauschenden Fußball gespielt und ist als Mannschaft zusammengewachsen. Toni Kroos wird es nicht einfacher haben in Leverkusen, er wird es schwerer haben, weil das bisschen Einsatzzeit, das er bei den Bayern bekam, deren guten Willen geschuldet war, ihn "behutsam aufzubauen". Diesen Ehrgeiz werden die Rheinländer wohl kaum haben, er wird für sie nicht mehr sein, als dass, was ihm Rudi Völler bei der Verpflichtung zugestanden hat: eine Top-Alternative. Ich bin sehr gespannt, ob Labbadia Renato Augusto oder Tranquillo Barnetta auf die Bank setzen wird, damit ein Spieler des ärgsten Konkurrenten Spielpraxis bekommt.

In München wird man ihm freilich den Floh ins Ohr gesetzt haben, dass er bei jedem anderen Klub, außer bei den Super-Bayern, direkt Stammspieler wäre. Damit verdecken sie die Scham darüber, dass sie es wieder einmal nicht geschafft haben, einen jungen Spieler mit außergewöhnlichen Anlagen in eine Spitzenmannschaft einzubinden. Solange sie in München keine vernünftige Schnittstelle zwischen Nachwuchs- und Profibereich hinbekommen, werden sie alle ihre Jungspieler ausleihen müssen und weiterhin verkennen, wer ihnen auch sofort schon weiterhelfen könnte. Wenn ich jedenfalls die bisherige Saisonleistung von Lucio und Demichelis mit der von Mats Hummels vergleiche, hätte der Dortmunder ihnen auch ohne Entwicklung schon sehr gut zu Gesicht gestanden.

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