Samstag, 14. Februar 2009

Medienschelte

Was hat gestern abend am Bildschirm eigentlich mehr genervt? Marcel Reif, das Halbzeitstudio oder die im Hintergrund leiernden Bayer-Fans. Ich bin ja kein Freund des Dauer-Supports um jeden Preis, daher schlägt das Pendel bei mir in Richtung des Singsangs aus dem Rheinland aus. Erschreckend war jedoch die Stille, die sonst im Stadion herrschte. Lähmendes Entsetzen hatte das sonst als so leidenschaftlich bekannte Publikum in der Rhein-Neckar-Metropolregion gepackt. Der Sinsheimer traute seinen Augen nicht und verlor die Sprache. Nicht einmal Pfiffe waren zu hören. Vielleicht sind viele Anhänger auch einfach noch nicht so in den kürzlich erst gegründeten Fanclubs verwurzelt...



Ralf Rangnick bekommt jedenfalls wieder die Meister-Flatter. Ganz sympathisch war der oft oberlehrerhaft, besserwisserisch und kleinlich daherkommende Schwabe den Massen noch nie. Und jetzt, im Misserfolg, wird wohl jeder auf der Rangnick-Meister-Flatter-Welle mitschwimmen, der in der Hinrunde noch krakehlt hat, was diese Hoffenheimer doch für einen tollen Fußball spielen und dass Schalke schon drei mal Meister geworden wäre, wenn sie doch bloß Ralf Rangnick behalten hätten. Andererseits sind die Dörfler auch selbst schuld. Wer solche Töne spuckt wie Rangnick und Jan Schindelmeiser in der Vorrunde darf sich nicht beschweren, wenn er daran gemessen wird. Ein bisschen mehr Standhaftigkeit in der allgemeinen Berichterstattung täte jedoch generell ganz gut. Ich bleibe zum Beispiel standhaft dabei, dass die Verpflichtung von Boubacar Sanogo nicht dem gesunden Menschenverstand entsprungen sein kann. Gestern war er jedenfalls wieder ganz der alte Bremer.

Eine Szene hat gestern wieder einmal die Problematik mit deutschen Schiedsrichtern deutlich gemacht. Nur dass gestern nicht zu Tage kam, dass wir andere Referees, eine andere Ausbildung oder den "Profi-Schiedsrichter" brauchen. Gestern wurde klar, dass wir die Schiedsrichter genauso lassen können, wie sie sind, aber die Berichterstattung sich grundlegend ändern muss. Einerseits schwärmen alle vom englischen Fußball, da gehe es noch zur Sache, da werde nicht so viel gepfiffen, dadurch werde das Spiel erheblich schneller und attraktiver. Das sei auch gut gegen Schwalbenkönige, die würden dann nämlich merken, dass Betrug zu nichts führt im Leben. Ich glaube, jeder hat diese Loblieder schon einmal von Moderatoren oder Experten gehört. Da fragt man sich doch, warum das zweite Tor der Leverkusener gestern zu Diskussionen führte. Marcel Reif, Patrick Wasserziehr, Jan Schindelmeiser und auch die Bild-Zeitung waren sich einig, dass Timo Hildebrand "die Hand auf dem Ball hatte". Na und? Als ich mit dem Fußballspielen angefangen habe, war ich Torwart. Da sagte mein Trainer mir immer, dass der Ball solange frei ist, bis der Torwart ihn an der Brust hat. Dass Korrekturen diesbezüglich im Regelwerk durchaus ihren Sinn haben, steht ja außer Frage, es sollen ja demnächst nicht alle Torhüter mit Rugby-Helm, Brustpanzer und diesem Rückenschoner für Skiläufer spielen müssen. Aber wenn demnächst, und das ist die Logik der "Experten", abgepfiffen wird, wenn der Torwart die ausgestreckte Hand an den an sich spielbaren Ball bekommt, sabotieren wir das, was wir eigentlich wollen, nämlich die englischen Verhältnisse. Wir haben wahrscheinlich gar kein Schiedsrichterproblem, die Männer würden mutmaßlich viel mehr laufen lassen. Aber solange sie in solchen Situationen die volle Breitseite der Medien abbekommen, kann es ihnen gar nicht vorgeworfen werden, dass sie lieber einmal mehr als einmal zu wenig pfeifen.

Ein weiteres Zeichen dieser Verunsicherung ist es, dass das Handspiel als Regelwidrigkeit abgeschafft wurde. Habt Ihr's gemerkt? Wenn nicht jemand in Volleyballmanier zum Ball geht und ihn mit Ankündigung per geballter Faust dreißig Meter über den Platz drischt, darf er sich mit den Armen inzwischen viel erlauben. Es heißt dann immer, was der Verteidiger denn da machen solle. Das sei ja keine bewusste Bewegung. Ich bin gespannt, wann die Stimmung umschlägt und alle merken, dass zum Beispiel ein Lucio sich inzwischen wild mit den Armen rudernd in jeden Schuss wirft und ihm nicht ein Handspiel abgepfiffen wird. Natürlich, das unterstellen wir jetzt mal, hält er den Ball dann nicht bewusst auf. Aber was hat sein Arm irgendwo in der Luft zu suchen? Gesprochen wird dann oft von einer natürlichen Bewegung. Ich will doch schwer hoffen, dass alle Bewegungen auf dem Platz natürlich möglich sind. Wäre es aber nicht schön, dass, wenn der Abwehrspieler den Ball im Strafraum an den Arm geschossen bekäme, es dann einfach wieder Elfer gäbe. Das wäre dann Pech in der Sitation, aber das allgemeine Gerede und Geschreibe der Reporter von unabsichtlichen und niemals zu pfeifenden Handspielen hat inzwischen dazu geführt, dass ein Schiedsrichter es sich genau überlegt, ob er einen Handelfmeter gibt.

So, genug der Schelte. Heute setzt die Bundesliga allem die Krone auf und kürt die Hertha zur neuen Königin. Na denn, Prosit.
P.S.: Na, wer hat getroffen letzte Woche für Cottbus gegen Hannover? Na? Zweimal Rangelov und einmal Angelov...

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