Wer kennt noch die Geschichte des Ikarus? Warum - diese Frage ist jetzt an alle gestellt, die die Geschichte kennen - musste ich gestern den ganzen Abend daran denken?
Ralf Rangnick hatte seinen Spielern verbal wunderbar verwachste Flügel zur Verfügung gestellt, in der Nähe der Sonne, namentlich des alles verbrennenden FC Bayern, versagten sie aber. Warum ist keiner der Experten vor diesem Spiel auf das Naheliegendste gekommen? Wie anders hätte dieser Wettkampf der aufstrebenden Jünglinge gegen die Altmeister von der Isar ausgehen sollen? So überraschend der Treffer der Münchner am Ende auch fiel, umso heimischer fühlte sich der Zuschauer wieder in seiner kleinen Blockhütte Bundesliga, in der am Ende doch immer der Förster gewinnt.
Auch wenn Marcel Reif die Leistung der Hoffenheimer halluzinierend über die der Bremer in der Versicherungs-Arena stellte, hatte in der zweiten Halbzeit kaum jemand Zweifel an einem Erfolg der Bayern. Nach dem glücklich abgefälschten Freitags-Schuss des isoliert überzeugenden Philipp Lahm biss es den Betrachter in die Niere. Das Gefühl, dass da wieder echte Bayern am Werk sind, beschlich jeden, der sich noch an gefühlt Jahrzehnte zurückliegende Hitzfeld-Gegurke erinnern kann. Ich persönlich habe den überschwänglich jubelnden Michael Henke am Spielfeldrand vermisst.
Die Schwalben der Hoffenheimer, der Fehlschuss von Salihovic, das Hadern von Rangnick, all das erinnerte an Daum, an Toppmöller, an Magath, an Jol und an all die anderen, die schon in der Vergangenheit mit grimmigem Gesicht vor den Business-Seats von Fröttmaning standen und nicht fassen konnten, dass ihre Mannschaft ihr Können in der Lufthansa-Maschine nach München vergessen hatte. Die Hoffenheimer haben bei ihrem Gipfelsturm feststellen müssen, dass ihnen das gewisse Etwas fehlt, das Bayern-Gen, das Sieger-Gen.
Die Wachablösung hat nicht stattgefunden. Das war kein Western. Wenn es ein Western gewesen wäre, was es nicht war, wäre Rangnick im großen Finale von der Kavallerie abgeknallt worden. Aber es war kein Western.
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