Montag, 8. Dezember 2008

Alte Verteidiger-Regel

Fragt man einen Fan nach der ästhetisch schlimmsten und inhaltlich dünnsten Werbung für Fußball-Berichterstattung, würde das Pro7-Intermezzo vergangene Saison im UEFA-Cup wohl nur von einer Medienerscheinung deutlich geschlagen. Dem DSF-Super-Sonntag. An "Super" ist leider oft Cottbus oder Köln oder ähnliches dieser Kategorie beteiligt, so dass nach dem Topspiel-Gerede auch ein Satz wie "Ich schmeiß es sonst weg, Leute!" folgen könnte.


Dabei hätte ich bei sachlicherer Ankünding viel früher gemerkt, dass das Deutsche Sportfernsehen neben dem Doppelpass am Sonntag noch ein weiteres Schmankerl zu bieten hat: Die Spieltaganalyse, bei der man vor einer anstrengenden Woche von Thomas Helmer in den Schlaf analysiert wird. Das ist durchaus positiv gemeint. Es gibt zum Ausklingen des Wochenendes kaum etwas besseres als ehemaligen und aktuellen Profis, deren Sprache noch nicht von der deutschen Moderatoren-Schule weichgekocht wurde, beim Plaudern über Spielzüge zuzusehen. Das erfüllt an anderer Stelle des Tages und unter anderen Vorzeichen einen ähnlich wichtigen Zweck, für den der Doppelpass als Starthilfe am verkaterten Sonntag-Vormittag steht. Die Sendung passt sich dem inneren Tempo des Zuschauers an, er wird von ihr an die Hand- und mitgenommen.

Da erweist sich sogar der sonst eher bei Fleischerei-Innungen vermutete Maik Franz als angenehmer Erzähler, der plausibel schildern kann, dass man Luca Toni alleine eigentlich nicht verteidigen kann. Helmer ist stark, wenn er aus Erfahrung spricht. "Nicht wahr," sagt er, und man hört ihn die Anrede 'Jungs' denken, "die alte Verteidigerregel. Man kann mal einen Kopfball verlieren, dann muss aber dahinter abgesichert sein." Strunz und Franz nicken. Die Regel kennen sie.

Franz plaudert so offen über einstudierte Spielzüge, die er auf dem Taktikbildschirm sogar mit Linien nachzeichnet, dass es Ede Becker am heimischen Bildschirm ganz wild gemacht haben muss. Sein Taktik-Buch dürfte heute ungefähr noch so nützlich sein wie Kevin Kuranyi für Schalke 04. Vielleicht hat Helmer ihn gezwickt, aber erst als Franz auch noch die mühsam erlernte Eckenvariante des KSC aufmalen will, hält er plötzlich inne - jedoch nur, um mit einem "Jetzt ist auch schon egal!" fortzufahren. Helmer und Strunz lachen sich einen, sie lachen als wollten sie sagen, Mut hat er ja, aber wenn der nach Hause kommt.

Nach Hause fuhr gestern in bester Laune der HSV. Der Sieg dürfte auch in Dortmund die These durchgesetzt haben, dass der BVB beim Tausch Petric-Zidan mindestens knapp den Kürzeren gezogen hat. Bemerkenswert war der Zweikampf vor dem Tor der Kölner. Sollten unsere Schiedsrichter - das Duell Ibisevic-Oddo lief ähnlich ab - etwa endlich mehr laufen lassen und nicht jedes plötzliche Einsetzen erhöhter Gravitation unter dem Abwehrspieler abpfeifen? Sie gehen ein hohes Risiko ein, dass wir in Zukunft mehr Tore zu sehen bekommen.

Nicht nur in der Tabelle, auch auf dem Transfermarkt könnte der HSV vor allem Bayer Leverkusen nachhaltig gefährlich werden. War die Rolle des Sprungbretts für Top-Karrieren in Europa bisher vor allem an die Werkself vergeben, haben der Verkauf von van der Vaart nach Madrid und der bevorstehende Aufstieg Olics zum Juve-Spieler sicher den Berater des einen oder anderen Jung-Stars aufhorchen lassen.

Der tragische Held des Spieltags war ohne Zweifel Jan Rosenthal. Hätte Hannover tatsächlich noch den Punkt geholt, wäre er ein echter Held gewesen, so wurde er eher zum Kuriosum. Im Mißerfolg verkommen Glanzlicher wie das des jungen 96ers gestern schnell zur Anekdote. Die Wolfsburger hingegen haben den schönsten Angriff des Spieltags gezeigt. Es ist zu hoffen, dass diese Kombination kein Unfall war, sondern den Fußball gezeigt hat, den Magath ihnen beibringen will.

Noch nicht ganz angekommen auf dem Medienparkett Bundesliga ist Cristian Zaccardo. Gianni Henkel kündigte mal wieder mit großer Geste ein von ihm höchstselbst geführtes Interview auf italienisch an, als Zaccardo ihn ungelenk auf deutsch unterbrach. Henkel schaffte es, seinen großen Auftritt vor den jungen Regie-Assistentinnen in Gefahr sehend, aber schnell den Italiener wieder zum Italiener zu machen. Wäre ja auch noch schöner gewesen.

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