Samstag, 14. Juni 2014

Echt jetzt?! Die Überraschungen des Turnierstarts

Die WM ist jetzt zwei Spieltage alt und als Fan reibt man sich wieder und wieder verwundert die Augen. Was hatte man nicht alles erwartet? Hitzeschlachten, Chaos, halbfertige Arenen, dominante Favoriten. Stattdessen gibt es verjagte Monarchen, Füßeln am Pool, Sauwetter und Völkerkunde mit Wolf-Dieter. Gut so, sagt der Fernsehzuschauer!

Dieses Mal, ja dieses Mal sollten die Stadien tatsächlich nicht fertig werden. Vor vier Jahren in Südafrika, da war es schon denkbar knapp und manche Zufahrtsstraße hat heute noch nicht den für damals geplanten Zustand. Am Ende fand zum Erstaunen aller aber dennoch ein Fußballturnier statt. Dieses Mal sollten sogar die Spielstätten halbfertig an den Start gehen, wirklich jetzt. Das Eröffnungsspiel auf einer Baustelle schien ausgemachte Sache. Aber es hat wieder geklappt. Der für die Kameras sichtbare Raum war hergerichtet, Business as usual also.

Dann dieser unbrasilianische Regen die ganze Zeit. Erste Kneipenbesucher sprechen vom Regenloch Brasilien. Zugegeben, wer sich ein wenig über die klimatischen Verhältnisse außerhalb des Dschungelorts Manaus schlau gemacht hat, wundert sich nicht über das so europäisch anmutende Wetter. Für uns am Fernseher ist es umso besser. Würden wir lieber sehen, dass die Spieler bei jeder Unterbrechung erst mal ordentlich trinken müssen und nach 60 Minuten gar nichts mehr geht? Eine feine Ironie des Spielplans schickt wenigstens das praktisch hitzebeständigste Volk der Welt zuerst in den Urwald – die Engländer!

Sportlich tat sich natürlich vor allem gestern Beachtliches. Die Niederländer standen zu den Spaniern in etwa so wie ein revolutionäres Volk zu einem tyrannischen König. Es stand nicht zur Debatte, mit dem Machthaber in einen Dialog zu treten, um eine gütliche Lösung zur Machtübergabe zu finden. Der Regent wurde vom Thron gejagt und zwar samt und sonders. Was sich schon beim Confed Cup vor einem Jahr andeutete, fand im spanischen Debakel von Salvador seine Fortsetzung.

Nicht ganz so überraschend wie die deutliche Überforderung der iberischen Ping Pong-Truppe aber wenigstens bemerkenswert war der etwas uninspirierte Auftritt der Brasilianer. Gut, dass das ZDF uns das fahrige Pressing von Dani Alves gezeigt hat, es war ein Sinnbild des ganzen Spiels. Schon komisch, dass die vermutlich brennendste Truppe des Turniers einen geschenkten Elfer braucht, um gegen Kroatien in die Spur zu kommen. Vielleicht war es auch die Härte der Kroaten, die den Samba-Kickern nicht passte. Diese Härte liegt den Kroaten quasi im Blut, wie uns Wolf-Dieter Poschmann aufklärte. Nach Aussage des Dauerläufers unter den Kommentatoren sei der Australier Jedinak nämlich deshalb so ein Raubein, weil er kroatische Vorfahren hat. Wieder was gelernt.

Wo wir gerade beim ZDF sind. Auch hier Überraschungen allerorten. So wehmütig wie Katrin Müller-Hohenstein ihren Oliver Kahn beim letzten WM-Test nach Rio verabschiedete, dachte ich schon, dass der Kick am Zuckerhut ohne „KMH“ über die Bühne geht. Aber Unkraut vergeht nicht, könnte man böse sagen. Schalte ins WM-Quartier und schon planscht sie mit Poldi am Pool. Es ist nicht überliefert, was dem Arsenal-Angreifer unangenehmer war. Verbal versuchte er den von der Moderatorin geweckten Eindruck zu zerstreuen, dass er nur als Pausenclown und nicht als Fußballer in Brasilien ist. Gleichzeitig musste er schuljungengleich die Füßelversuche im kühlen Nass im Auge behalten, bis er letztlich schüchtern die Füße übereinander legte und nah unter den Körper zog. Als ihm die adrette, aber für ihn etwas zu reife Blondine dann noch Badelatschen schenkte, wusste der Kölsche Jung gar nicht mehr wohin mit sich.

Doch abseits schwüler Begegnungen am Pool hat das ZDF einen klasse aufgelegten Moderator Oliver Welke und einen wie ausgewechselt aufspielenden Experten Oliver Kahn ins Rennen geschickt. Kahn arbeitet sich erstmals nicht durch verquaste Ausführungen über seine große Vergangenheit und Schilderungen echter Emotionalität eines Titanen. Bisher wollte man ihm nach der Hälfte des Satzes zurufen: Weiter, immer weiter! Nun plaudert er locker über die Mannschaften, scheint echte Freude an den Spielen zu haben und gibt Welke frech Contra, wenn der nach einer der spektakulärsten Wachablösungen der Fußballgeschichte über die Posse um eine sich selbst demontierende Lichtgestalt sprechen will. Da lachte auch der Profi Welke anerkennend in sein Mikro.

Die letzte Überraschung des gestrigen Abends, dass erhöhte Alkoholzufuhr nicht die Fitness für das 0 Uhr-Spiel sichert, könnte heute das England-Italien-Spiel retten. Da sollte man schon dabei sein. Schließlich schielen beide Kontrahenten auf den Cup. Ich suche mir noch ein paar Engländer, mit denen ich streiten kann, bei wem der beiden der Titelgewinn am Ende die größere Überraschung wäre.





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