Donnerstag, 16. Mai 2013

Große Erwartungen: Der SV Werder auf Trainersuche


Um zunächst jeglichen Vorwurf des Ideenklaus aus der Welt zu schaffen, will ich, bevor ich mich dem Thema „Trainerwechsel“ widme, auf die Kolumne meiner Schwester Laura hinweisen, die die Situation auf dem internationalen Toptrainermarkt bei Goal.com lesenswert zusammengefasst hat. Mein Blick gilt der Bundesliga, denn da ist mindestens ein sehr attraktiver Posten zu vergeben. Nach dem Aus für Thomas Schaaf bei Werder Bremen machen sich einige Trainer, die meinen „zu Bremen zu passen“, Hoffnungen auf den nächsten Schritt ihrer Karriere.

Bevor nun das Spekulieren beginnt, ist noch ein Wort über den scheidenden Trainer an der Weser zu verlieren. Schaaf hat diesen Verein über Jahre hinweg geprägt und große Erfolge gefeiert. Doch Schaaf war nur dann erfolgreich, wenn seine Offensive deutlich mehr Tore geschossen als seine Defensive kassiert hat. Oder anders formuliert: die fetten Jahre gab es, wenn Werder ordentlich getroffen hat, vor allem aber die eigene Abwehr einigermaßen beisammen hatte - wie in den Jahren 2004 bis 2007.

Seit 2008 stieg die Zahl der Gegentore an. Zum Leidwesen des Vereins wurde das Jahr 2010 zum positiven Ausreißer und nicht das Jahr 2009 zum negativen. Das Diagramm zeigt aber auch, dass Werder nicht nur mehr Gegentore kassiert hat, sondern auch die Torfabrik ins Stocken geriet. Damit verlor Schaaf sein machterhaltendes Elixier. Die Offensive liefert seit 2010/11 nicht mehr genug, liegt plötzlich und völlig untypisch weit hinter dem Schnitt der Mannschaften auf den Plätzen zwei bis sechs. Das folgerichtige Ergebnis sind Platzierungen jenseits von Gut und Böse, Spannung entsteht nur noch beim Blick auf die unteren Tabellenregionen.

So lässt sich allein am Torverhältnis anschaulich begründen, warum Schaaf jetzt gehen musste. Er war von Beginn an kein Trainer der Defensive, dem der Plan B fehlte, als er keinen Angriff europäischer Klasse mehr auf dem Platz stehen hatte. Nun soll sich also ein neuer Coach versuchen. Bremen hat in der Bundesliga eines der anspruchsvollsten Anforderungsprofile, nicht mal Schalke hätte bei der Auswahl des Neuen derart genau hingeschaut.

Zum einen muss der Nachfolger von Schaaf „sympathisch“ sein. Thomas Eichin hat offen gesagt, dass er das große Potenzial des SV Werder vor allem in dessen einnehmenden Auftreten sieht. Bremen braucht daher einen Trainer, der dieses Image gut verkaufen kann. Hanseatisch zurückhaltend, charismatisch und trotz aller Bescheidenheit fähig zur deftigen Ansprache – so könnte die Wunschliste lauten. Ich nenne diesen Punkt zuerst, weil hier schon einige der gehandelten Kandidaten scheitern, allen voran Stefan Effenberg, der unsinnigerweise ins Gespräch gebracht wurde.

Viel wichtiger als das Auftreten ist für die tägliche Arbeit natürlich der fußballerische Sachverstand. Der ist auch wichtiger als große Erfolge in der Bundesliga oder einer anderen europäischen Top-Liga. Thomas Tuchel in Mainz, Christian Streich in Freiburg und, wenn auch mit anderen Rahmenbedingungen, Jürgen Klopp in Dortmund zeigen, dass ein guter Trainer nicht schon drei Meistermedaillen an der Wand hängen haben muss, um ein Team zu Erfolgen zu führen. Werder sollte keine Angst davor haben, einen Taktikfuchs, einen „Fußball-Professor“ zu verpflichten. Das ist genau der Typ Übungsleiter, der aus talentierten Spielern, die Werder ohne jeden Zweifel hat, eine funktionierende Truppe formen kann.

Eine besondere Anforderung folgt aus dem Bremer Dogma, stets offensiven Fußball spielen zu lassen. Taktisch kann also nichts anderes auf der Agenda stehen, als im Kleinen den Fußball, den Borussia Dortmund spielt, zu praktizieren. Entschlossenes Pressing weit vor dem eigenen Tor lässt das Spiel sehr viel offensiver aussehen. Garniert die Mannschaft die Balleroberungen mit schnellen Gegenstößen, ist der Fan zufrieden. So entsteht mehr defensive Stabilität, ohne die grundsätzlich offensive Ausrichtung zu verraten.

Über wie viel Führungsstärke der Neue verfügen muss, wird sich nach den Transfers im Sommer zeigen. Verlassen Eljero Elia und Marko Arnautovic den Verein noch, wird im disziplinarischen Bereich weniger zu tun sein. Krisen können allerdings jederzeit entstehen, im Umbruch sollte der Trainer also über ein ausreichend dickes Fell verfügen. Da Eichin aber an „seinem Mann“ zunächst festhalten muss, nachdem er das Denkmal Schaaf in die Wüste geschickt hat, ist intern ein ruhiges Arbeiten aber zunächst sichergestellt. Eine Trainerrochade wie nach der Ära Rehhagel sollte dem Klub nicht noch einmal passieren.

Bleibt die Frage, welche Kandidaten dieses Profil erfüllen. Mehmet Scholl könnte in der Tat interessant sein. Ein schlauer Kopf, ein Schlitzohr, sehr telegen und geübt im medialen Umgang. Zudem mit einer beeindruckenden Vita als Spieler. Dennoch würde ein Trainer Scholl nur Sinn machen, wenn das Team weiter sehr jung bleibt. Jemand, der bisweilen selbst noch wie ein Teenager auftritt, passt eher zur jungen Generation und könnte sogar ihr gegenüber Autoritätsprobleme bekommen.

Unter den jungen Trainern wäre Thomas Tuchel die logischste Wahl. Aber ob Mainz seinen Trainer ausgerechnet nach Bremen ziehen lässt und ob der überhaupt ziehen möchte, sei dahingestellt. Taktisches Wissen, öffentliches Auftreten und hoher Arbeitseinsatz verbinden sich gegenwärtig allerdings bei kaum einem Trainer derart wie beim Mainzer Coach. Werder sollte hier zumindest anklopfen.

Ganz interessant finde ich auch die Gerüchte um Torsten Lieberknecht, der heimlich, still und leise die Eintracht aus Braunschweig zum Erstligisten machte. Auch er ist einer, dem für die Zukunft viel zugetraut wird und der seine Karriere garantiert nicht in Braunschweig beenden wird. Finanzierbar wäre er bestimmt auch. In Interviews stellt er sich eloquent und sachlich dar, dennoch fehlt es ihm nicht an Emotionalität, wenn es mal bescheiden lief. Der Haken ist, dass er gerade aufgestiegen ist und sich unter Umständen seinem Verein verpflichtet fühlt, ihn nicht in der neuen Liga allein zu lassen.  

In eigener Sache möchte ich noch etwas zu den zart aufkeimenden Gerüchten um Norbert Meier sagen. Als Fortuna-Fan möchte ich es vorsichtig formulieren: Diese Personalie sollte noch einmal auf den Prüfstand...

Das Anforderungsprofil der Bremer ist, wie gesagt, anspruchsvoll. Die Suchkriterien sind schneller umrissen, als dann Kandidaten benannt werden können. Dennoch sollten die Bremer keine Kompromisse schließen. Es ist wichtig, dass nach dem missglückten Umbruch unter Schaaf endlich richtige, von Erfolgen getragene Aufbruchstimmung entsteht. Und dazu braucht es nun einmal einen Trainer, der gute Arbeit abliefert. Denn bis der SV Werder eine Mannschaft hat, die zur Not auch ohne Trainer Meister würde, kann es wohl leider noch einige Jahre dauern.

2 Kommentare:

westernworld hat gesagt…

in einer idealen welt würde wohl bernd schuster den ob machen der von seinem perönlichkeitsprofil zumindest in der art wie er sich nach außen verkauft schaaf nicht unähnlich ist der ahnung hat und vor allem einen weiteren horizont in die oft sehr enge bremer fußballwelt mit einbrächte.

aber den werden sie nicht bekommen, genauso wenig wird tuchel das was er in mainz hat für einen bundesligawackelkandidaten mit schwierigem umfeld aufgeben. sich sind die bremer kein divenverein wie schalke oder hertha aber die kombination aus strukturkrise, großen erwartungen und sehr begrenzten mitteln ist eine extremriskante karrierewette für jeden trainer.

wenn bremen nicht sehr schnell sehr viel richtig macht werden sie durchgereicht und da muß die zweite liga nicht unbedingt endstadtion sein. von daher glaube ich auch eher an eine lösung aus der zweiten liga. wichtig ist das bremen seine eigene attraktivität auf dem markt nicht überschätzt.

schwierig wird es wohl auch den anderes gewohnten fans beizubringen das sie längerfristig werder eher in der zweiten tabellen hälfte wiederfinden könnten und dass auch das eine leistung für werders verhältnisse sein kann.

Der Autor hat gesagt…

Das sind so viele Gedanken, da lohnt sich ja ein eigener Blog-Eintrag. Ich glaube schon, dass Werder attraktiv ist. Junge Trainer können sich hier mindestens die Hörner abstoßen.
Die Gefahr, dass Bremen durchgereicht wird, besteht nur, wenn die talentierten Spieler nicht gehalten werden können. Dann geht es übel aus.