Freitag, 7. Dezember 2012

"Reise" auf großer Fahrt

Andriy Voronin, Nando Rafael, dann erst Stefan Reisinger. Es gab nicht wenige, die genau diese Rangfolge im Sturm von Fortuna Düsseldorf vor Saisonbeginn erwarteten. Der eine kam gerade von der Europameisterschaft im eigenen Land, der andere hatte immerhin schon Afrika-Cup gespielt - und Reisinger? Er saß beim SC Freiburg meist auf der Bank. Die Empfehlung hätte besser sein können, doch wer genau hinsieht, kann im Rückblick erkennen, dass die Entwicklung des Landshuters im Rheinland förmlich vorbestimmt war.


Der Plan: Den Gegner müde laufen

Man kann der Fortuna ja nicht vorwerfen, dass sie sich im vergangenen Sommer nur punktuell verstärkt hätte, aber die rege Transfertätigkeit war andererseits auch kein blindes Kaufen möglichst vieler Spieler in der Hoffnung, dass einige der vielen schon einschlagen werden. Reisinger steht in einer Reihe mit Axel Bellinghausen, Du-Ri Cha und bereits vorhandenen Kräften wie Andreas Lambertz, Adam Bodzek oder Johannes van den Bergh. Eine Truppe von Dauerläufern, so der unverhohlene Plan von Trainer Norbert Meier und Sportchef Wolf Werner, sollte spielerisch bessere Gegner an ihre körperlichen Grenzen bringen.

Im Schatten Schahins

In dieses Profil passte Reisinger von Beginn an und kam gleich im zweiten Saisonspiel zu einem Einsatz in der Startelf. Gegen Borussia Mönchengladbach rieb er sich allerdings im Sturmzentrum auf und wurde ausgewechselt. Es ereilte ihn die nächste Verletzung und im Schatten des Shooting-Stars Dani Schahin verschwand er immer mehr. In der Folge wurde er vier mal eingewechselt, eine bekannte Situation für ihn, kam er doch in 59 seiner insgesamt 79 Bundesligaspiele von der Bank.

Tore, kluge Pässe, gute Zweikämpfe

„Trotzdem überzeugt „Reise“ nun auf ganzer Linie“, stellt Goal.com-Korrespondent und Fortuna-Experte Tim Röhn nach den jüngsten Auftritten fest. „In den letzten drei Spielen hat er jeweils ein Tor erzielt und dazu viele kluge Pässe gespielt. Er ist zweikampfstark und arbeitet gut mit nach hinten - ob als Stürmer oder als Mittelfeldspieler wie beim 1:1 in Dortmund“, beschreibt er die Stärken des neuen Serientäters vor des Gegners Tor.

Nervenstärke vor dem Tor

Die Treffsicherheit ist neben der Laufbereitschaft Reisingers zweite große Stärke. Seine Routine verleiht dem 31-Jährigen eine Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, die der insgesamt unerfahrenen Mannschaft gut tut. Seine Alleingänge vor den Toren gegen den Hamburger SV und Eintracht Frankfurt mögen von fehlender Hingabe der ihm gegenüberstehenden Verteidiger begünstigt gewesen sein, im Duell mit dem Keeper behielt er aber die Nerven und netzte sicher ein. „Er ist sehr laufstark und stößt immer wieder aus der Tiefe in die Spitze. Außerdem bringt er die Erfahrung von 72 Bundesliga-Spielen mit“, sagte Wolf Werner einst bei der Verpflichtung des Angreifers – und Reisinger zeigt spätestens seit dem Spiel gegen den HSV, dass er die Erwartungen erfüllen kann.


Abstiegskämpfer Reisinger

Seine Bescheidenheit im öffentlichen Auftritt lässt ihn ebenso zum Sympathieträger werden wie seine Spielweise, die technisch nicht immer Leckerbissen bietet aber von einem Einsatz geprägt ist, der ihn nach 90 Minuten völlig ausgepowert vom Platz schleichen lässt. Wenn er kurz zuvor noch einmal den Sprint Richtung Defensive angezogen hat um eine Flanke zu verhindern, ist er der Abstiegskämpfer, den die Fans gern als Identifikationsfigur sehen. Auf der Position auf dem rechten Flügel kann er mehr Einfluss auf das Spiel nehmen und büßt dabei seine Torgefährlichkeit nicht ein. Zusammen mit Ken Ilsö und Robbie Kruse bildet er ein erstaunlich variabel agierendes Gespann im Angriff.

Besondere Motivation beim „Club“

Und ganz nebenbei hat er einen Konkurrenten längst ausgestochen, der eigentlich der Garant für den Klassenerhalt sein sollte. „Dank Reisingers guten Vorstellungen ist es für Fortuna kein großes Problem, dass sich Voronin, der mit großen Erwartungen kam, als Flop entpuppt hat“, urteilt Tim Röhn über die verschobenen Verhältnisse. Sportlich spricht in der Landeshauptstadt tatsächlich kaum noch jemand über den Ukrainer. Im Rampenlicht steht Stefan Reisinger, und als ehemaliger Fürther wird er alles daran setzen, dass seine Tor-Serie nicht ausgerechnet in Nürnberg reißt.

Zuerst veröffentlicht bei Goal.com

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