Mittwoch, 29. August 2012

Hamburg und der Kampf gegen die Langeweile

Der Hamburger SV ist mir sympathisch. Diese Mischung aus Größenwahn und Verschuldung lässt mich Nähe empfinden zu diesem Verein, es mag an meiner rheinischen Herkunft liegen. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass ich mich an keine Saison erinnern kann, in der die Hamburger nicht in der Bundesliga spielten – alles andere wäre auch bedenklich und ein Fall für den Neurologen. Jedenfalls möchte ich für diesen Verein, der nach allgemeinem Urteil den Spielbetrieb einstellen, ein paar Freundschaftsspiele gegen afrikanische Klubs spielen und freiwillig in die zweite Liga gehen könnte, eine Lanze brechen.

Hamburg denkt groß, immer und überall. Das Nürnberger Modell, oder das frühere Frankfurter, durch Friedhelm Funkel geprägte Modell, das einen langsamen, wirtschaftlich gesunden Aufstieg zur Spitzengruppe propagiert, ist in der Hansestadt nicht zu vermitteln. Der Grund ist einfach: Selbst jahrelanger Abstiegskampf wird scheinbar nur als kurze Abwesenheit von der Spitzengruppe gesehen, als Unfall. Der HSV ist kein Kellerkind, das ab und zu Höhenluft schnuppert, sondern ein Topverein, der sich hier und da in die niederen Gefilde der Liga verirrt.

Die Transfer-Anstrengungen sind daher immer so angelegt, als würde ein einziger Baustein den Verein wieder auf Rang vier hieven. Rafael van der Vaart wird im Moment gehandelt. Ein Investor soll das nötige Geld locker machen und so handelt der Verein inmitten des Weltuntergangs, als befinde er sich auf der Veranda seines Strandhauses an einem verheißungsvollen Sommermorgen. Dem Kader fehlt es nach dem Urteil von Uwe Seeler auf allen Positionen, dennoch denkt der klamme Klub darüber nach, einen zweistelligen Millionenbetrag für einen Volkshelden hinzublättern – oder hinblättern zu lassen. Das Beispiel Lukas Podolski sollte den Holländer mit der hübschen Frau abschrecken, aber den Klub ehrt der Mut, es besser machen zu wollen als die Kölner.

Um Protesten vorzubeugen, sei an dieser Stelle klar gesagt, dass der HSV-Kader, wie er sich im Moment darstellt, im positiven Sinne nicht mit dem Personal der Domstädter zu vergleichen ist, als der Prinz aus Bayern heimgeholt wurde. Und gerade dieser Umstand lässt selbst Experten so ratlos auf das Geschehen an der Elbe blicken. Aogo, Westermann, Jansen, Bruma, Adler – an Klasse scheint es nicht zu fehlen, nur in der Zentrale steht kein tauglicher Spieler zur Verfügung. Reicht der Baustein van der Vaart also theoretisch doch aus?

Das hängt davon ab, ob Thorsten Fink endlich einen Weg findet, die Mannschaft aus ihrer Verkrampfung zu lösen. Vielleicht braucht es den Supertransfer, damit das Selbstbewusstsein wiederkommt. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die kolportierten 12 Millionen besser angelegt wären, wenn für diese Summe drei oder vier nachweislich bundesligataugliche Spieler verpflichtet werden. Was den Klub vor diesem Weg zurückschrecken lässt, ist das damit verbundene Eingeständnis, zur grauen Maus zu werden. Der Einzug der Langeweile ist das wahre Schreckgespenst.

Und ist ein Klub, der nichts so sehr fürchtet wie die Eintönigkeit, sich so leidenschaftlich gegen das Schattendasein wehrt, nicht irgendwie sympathisch? Nur echter Fan dieses Vereins möchte ich nicht sein. Trotz ruhiger Zeiten verliere ich genug Nerven an Fortuna Düsseldorf, eine Liebe statt nur einer Sympathie zum HSV würde mich im Handumdrehen ins Burnout jagen.