Samstag, 11. August 2012

Frust in Hoffenheim, Understatement in Gladbach

Der Plan war gut. Der Ersatztorwart der deutschen Nationalmannschaft sollte die TSG Hoffenheim bei allen Kadernominierungen Löws kurz ins mediale Rampenlicht rücken. Regionale Blätter hätten aus einem (dauerhaften) Kraichgauer Nationalspieler wohl stets eine Story à la „Unser Mann bei Jogi“ gemacht. Nur spielt der Bundestrainer nicht mit und lässt Wiese nun einfach zuhause. Der optisch etwas sperrig auftretende Ex-Bremer ist nun auch Ex-Nationalspieler und Markus Babbel, der Wiese zum Führungsspieler aufbauen will, schäumt vor Wut.

Fast kann es einem so vorkommen, dass Wieses Wechsel nach Hoffenheim sein Aus im Nationalteam besiegelt hat. Schon bei der Aussortierung von Torsten Frings haben Klaus Allofs und Thomas Schaaf bewiesen, dass es für Löw bei der Nichtberücksichtigung von verdienten Werder-Spielern eine ordentliche öffentliche Breitseite gibt. Der wollte man in Frankfurt bisher wohl aus dem Weg gehen und vor der Euro keine unnötige Unruhe schaffen. Jetzt heißt der Arbeitgeber, der Krawall macht, aber Hoffenheim, der Chefredner ist Markus Babbel. Das Interesse an der Empörung des Trainers wird sich wohl in Grenzen halten, einfach weil die Fangemeinde der Hoffenheimer sehr viel überschaubarer ist als die des SV Werder. Ob derlei Überlegungen tatsächlich eine Rolle spielten, ist wahrlich reine Spekulation

Schwerer wiegt vermutlich, dass Wiese immer einer war, der den Mund aufmacht, der redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Der doch recht braven Truppe um Jogi und Hansi und Olli und Andi und Philipp und Schweini mag das gelegentlich quer im Hals gelegen haben. Unter den Schwiegersöhnen Manuel Neuer, Ron-Robert Zieler und Marc-Andre ter Stegen wirkte er wie ein Kuriosum, sein Torwartspiel stammt aus einer anderen Zeit. Dennoch war er in der DFB-Elf eine Bank – wenn auch nur auf der Bank. Die TSG hoffte nicht zu Unrecht, mit seiner Verpflichtung ein wenig internationalen Glanz ins heimische Dorf zu holen. Doch Löw hat nun auch diese letzte Falte in seinem Hochglanz-Team geglättet.

Ganz andere Sorgen haben sie in Mönchengladbach. „Erschüttert“ war Rainer Bonhof zunächst, als das Los Kiew gezogen war. Sicher, die Ukrainer sind ein schwerer Gegner, aber angesichts der Investitionen, die die Borussia in diesem Sommer getätigt hat, sollten die „Fohlen“ schon selbstbewusst antreten. Zurecht hat Max Eberl darauf hingewiesen, dass Kiew regelmäßig in der Königsklasse dabei ist und über eine Menge internationaler Erfahrung verfügt. Und dann ist da noch dieser Stareinkauf aus Berlin, der in den Grenzen der Hauptstadt stets zu den Topspielern der Bundesliga zählte.

Die jüngere Historie Dynamos in der Champions League ist zwar in der Tat einigermaßen lückenlos. Heldentaten hat es aber – gerade in den vergangenen beiden Jahren – nicht gegeben. Auf nationaler Ebene könnten wir wohl von einer Fahrstuhlmannschaft sprechen:

2011/12 Dritte Qualifikationsrunde
2010/11 Play-Offs
2009/10 Gruppenphase
2008/09 Gruppenphase
2007/08 Gruppenphase
2006/07 Gruppenphase
2005/06 Zweite Qualifikationsrunde
2004/05 Gruppenphase
2003/04 Gruppenphase
2002/03 Gruppenphase

Mönchengladbach sollte selbstbewusst darauf bauen, dass Geschichte, Erfahrung und sonstiger Klimbim bei Lucien Favre eine erfrischend kleine Rolle spielen, dafür einzig die Klasse der Mannschaft und die taktische Einstellung von Bedeutung sind. Favre ist ein Trainer, der im Hier und Jetzt arbeitet und die Borussia ist im Hier und Jetzt eine starke Mannschaft. Also Brust raus und ab in die Gruppenphase!

Bei den etwas weniger Großen, in der Europa League, will auch der VfB Stuttgart mitspielen. Etwas verwunderlich ist, dass die Schwaben von allen Mannschaften, die oben mitspielen möchten, personell am wenigsten dafür tut. Matthieu Delpierre, Julian Schieber und Khalid Boulahrouz sind weg, Tunay Torun steht dem bisher als „Königstransfer“ gegenüber. Daniel Didavi kehrt nach einem erstaunlichen Entwicklungssprung beim 1. FC Nürnberg zurück, doch muss er beweisen, dass er eher dem ehemaligen „Clubberer“ Ilkay Gündogan als Mehmet Ekici nacheifert.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem das Kicker-Sonderheft bereits erschienen ist, wirkt das alles etwas dünn. Hinzu kommt, dass sie mit Bruno Labbadia einen Trainer haben, der wie ein Joghurt wirkt, der sein Haltbarkeitsdatum lange überschritten hat und bei dem sich alle wundern, dass er noch schmeckt. Das Stuttgarter Umfeld scheint ein guter Konservierungsstoff zu sein, die Frage ist jedoch, wie lange der noch wirkt, wenn kein neues Personal kommt. Fredi Bobic wird im Schlussverkauf noch einmal zuschlagen müssen.

Das Schlusswort gilt schon wieder Werder Bremen. Mal sehen, ob ich das die gesamte Saison durchhalte. Gegen Proteste der Fans wurde ein Sponsorendeal mit einem Geflügelverwerter abgeschlossen, der im Verdacht steht, seine Hähnchen in Massenhaltung zu quälen. Darüber wird gestritten, jedenfalls hat er nicht den Ruf, den Tieren täglich sanft das Gefieder zu streicheln und ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Oliver Kahn und Dieter Bohlen bekommen oder bekamen ebenfalls Geld von dieser Firma, weil sie das auf den Grill legen, was von den mickrigen Hähnchen nicht mehr am Stück verkauft werden kann. Bei Gestalten wie diesen beiden liegt die moralische Messlatte allerdings nicht allzu hoch. Der SV Werder kann sich glücklich schätzen, dass er Fans hat, die sich an solchen Geschäften stören. Schade ist nur, dass auf diese Fans nicht gehört wurde.

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