Samstag, 28. Januar 2012

Harry, der verrückte Hund

Tottenham? Wer das Geschehen in der Premier League nicht regelmäßig verfolgt hat da immer noch die Idee vom Blondschopf im weißen Trikot mit den Aufschriften „Holsten“ vorne und „Klinsmann“ hinten auf dem Trikot. Doch die Zeiten haben sich geändert, was nicht heißt, dass heute kein ehemaliger Bundesliga-Akteur das Spiel der Spurs lenkt. Hier beschäftigen wir uns aber mit dem Trainer, einem kantigen Typ mit markantem Gesicht: Harry Redknapp, nennen wir ihn ganz britisch einfach Harry.

Am Freitag Abend gewannen die Spurs im FA Cup mit 1:0 bei Watford. Der Klub hat damit noch alle Chancen auf das Double. In der Premier League sprengt einzig Tottenham die Stadtmeisterschaft von Manchester um den Titel. Trotz des Sieges von City gegen die Spurs am vergangenen Wochenende traut man aktuell nur ihnen zu, dem Duo an der Tabellenspitze die Stirn zu bieten. Auch die Niederlage beim Scheich-Klub war unnötig. Hätte Jermaine Defoe kurz vor Schluss ins leere Tor eingeschoben, dann wäre das Titelrennen ganz eng geworden.

Tottenham steht dennoch so gut da wie lange nicht. Die letzte Saison vor dem Engagement von Harry schloss die Mannschaft auf Platz elf ab (2007/08), mit ganzen 41 Punkten Rückstand auf Manchester United. Tottenham befand sich damals im absoluten Niemandsland der Premier League. Im darauf folgenden Oktober übernahm er und seitdem geht es bergauf. In seinem ersten Jahr wurde er Achter, 2010 schloss die Mannschaft schon auf Platz vier ab. Im vergangenen Jahr sprang immerhin der fünfte Platz heraus.

Im der Saison 2008/2009, der ersten, in der Harry komplett das Ruder in der Hand hatte, wurde richtig Geld ausgegeben. Zwar spülte allein der Verkauf von Dimitar Berbatov zu Manchester United 38 Millionen Euro in die Kassen, aber Spieler wie Luka Modric, Roman Pavlyuchenko oder David Bentley gab es auch nicht umsonst. 2009 standen die Spurs mit einem Transfer-Minus von rund 57 Millionen Euro da. Sie schwangen sich auf, es den großen Vier gleichzutun. Was sie von Chelsea oder City allerdings unterschied, war, dass Harrys Käufe sehr gezielt die Mannschaft verstärkten und es sich bei den Spielern zum Teil noch heute um Stützen der Mannschaft handelt.

Zudem schien Harry nur diesen einen Kaufrausch zu benötigen, um die Mannschaft nach seinen Wünschen umzustellen. Ein Jahr später gab Tottenham nur noch zehn Millionen mehr aus, als sie bei den Verkäufen einnahmen. 2010/11 stand zwar wieder ein Minus von rund 25 Millionen Euro zu Buche, man gab aber insgesamt nur etwa 26 Millionen aus, darunter waren die Zehn-Millionen-Schnäppchen Rafael van der Vaart und Sandro. Zehn-Millionen-Schnäppchen? Ja, man bedenke, dass Harry kürzlich gut elf Millionen für einen Peter Crouch bekommen hat. In dieser Spielzeit steht insgesamt sogar ein Transfer-Plus von 25 Millionen zu Buche, obwohl Spieler wie Scott Parker und Emmanuel Adebayor verpflichtet wurden.

Warum ich das alles schreibe? Ich versuche zu ergründen, wie es Tottenham auf Platz drei, mitten rein ins Titelrennen geschafft hat. Die cleveren Einkäufe spielen da eine Rolle. Kaum eine Mannschaft wirkt so gut ausbalanciert wie die der Spurs. Spieler wie Gareth Bale, Aaron Lennon und Luka Modric gehören zu den herausragenden der Premier League. Rafael van der Vaart konnte wegen vieler Verletzungen noch nicht viel ausrichten, wies auf dem Platz aber stets seine Klasse nach. Der Fußball ist schnell, technisch gut und erfolgreich.

Transfers und Spielweise gehen auf die Kappe dieses verrückten Hunds Harry. Allein seine Interviews und Storys könnten ein Wochenblatt füllen. Fragt man ihn nach dem brasilianischen Spielmacher Ganso, an dem er interessiert sein soll, fragt er zurück, wer dieser Ganso denn sei. Er kenne ihn nicht, und es würde ihn interessieren, auf welcher Position dieser Ganso spielt. Einen Tag später gab es Meldungen über ein Angebot der Spurs an den FC Santos.

Aktuell muss sich Harry wegen Steuerhinterziehung verantworten. Er soll knapp 300.000 Pfund auf ein Konto nach Monaco verschwinden haben lassen, das er auf den Namen seines Hundes eröffnet hatte. Vor Gericht gab er jetzt an, dass er das gar nicht gewesen sein könne. Er schreibe wie ein Zweijähriger, habe noch nie eine E-Mail verfasst und besitze selbst gar keinen Computer. Gern wettert er auch gegen die Statuten der UEFA: Als die Klubs aus Manchester jüngst aus der Champions League in die Europa League abstiegen fragte er, ob die Vereine, die im Halbfinale des FA Cups ausscheiden, demnächst im Ligapokal weitermachen dürfen.

Einem wie ihm ist zuzutrauen, in den verbleibenden 16 Saisonspielen noch acht Punkte auf City aufzuholen. Es bereitet mir als Arsenal-Fan wirklich Probleme, aber die direkte Qualifikation zur Champions League wird den Spurs wohl nicht mehr zu nehmen sein. Dann geht Harry seinen Weg weiter, vielleicht noch lange bei den Spurs, aber ewig macht Sir Alex Ferguson den Job in Manchester auch nicht mehr.

Keine Kommentare: