Langweilig! Spanien ist schon wieder im Finale. Doch halt!
So langweilig ist das gar nicht, denn es ist nicht das Finale, auf das alle Mannschaften
hinspielen, sondern ein ganz individuelles Finale. Wenn der Weltmeister gegen
Chile verliert, ist er draußen. Gewinnt er, wird vom berühmten blauen Auge und dem
Davonkommen die Rede sein. So oder so sind die Spanier den Nimbus der
Unbesiegbarkeit erst einmal los.
Und das ging schnell. Etwa 45 Minuten haben die Niederländer
gebraucht, um das Römische Weltreich im Fußball des letzten Jahrzehnts aus den
Angeln zu heben. Eine Halbzeit war genug, schon steht ein Fragezeichen hinter
der Eignung einiger spanischer Nationalspieler für das Turnier in Brasilien. Das
ist mit Sicherheit zu hart geurteilt, doch scheint das Gesamtkonstrukt nicht
mehr zu passen.
Iker Casillas ist unbestritten ein sehr guter Torwart. Oder
sind wir schon an dem Punkt angekommen, an dem wir sagen müssen, er war ein sehr
guter Torwart? Im Champions-League-Finale hat er schon gepatzt, jetzt erneut
bei der WM. Passiert noch etwas gegen Chile, dürfte seine Zeit abgelaufen sein.
Pique und Ramos hingegen, die die schwärzesten Tage ihrer Karriere terminlich
geschickt koordiniert und gemeinsam auf den vergangenen Freitag gelegt haben,
werden mit größerer Wahrscheinlichkeit in die Spur zurückfinden.
Das Mittelfeld ist schwer zu beurteilen, weil es das macht,
was es immer macht. Es passt – leider nur noch im Sinne von: es spielt Pässe.
Doch kann man Xavi & Co. einen Vorwurf machen? Wenn es etwas Konkretes zu
bemäkeln gibt, dann das höchst paradoxe Sturmproblem der Spanier. Sie schaffen
es einfach nicht, einen Neuner so einzubinden, dass er ihrem nicht enden
wollenden Ballbesitz Durchschlagskraft verleiht.
Fernando Torres ist schon so lange der Ritter der traurigen
Gestalt, dass es nicht weiter auffiel, wenn er auch in der Nationalmannschaft
nicht sonderlich inspiriert wirkte. Doch jetzt kommt ein Meister und
Champions-League-Finalist, der so besessen vom Erfolg ist, dass er nicht einmal
davor zurückschreckt, herzhaft in eine Pferdeplazenta zu beißen. Diego Costa
wirkte zwischen den Silvas und Xavis und Iniestas derart deplatziert, dass die
ausdauernden Pfiffe der Brasilianer für ihn noch das kleinste Übel waren. Spanien
hatte seit langer Zeit den besten Stürmer auf dem Feld – und zeigte die
dezenteste Offensivleistung seit langem. Ein unberechtigter Elfmeter war ihr
einziges Tor.
Das Spiel der Spanier erinnert an ein großes Schiff, das
irgendwo ein unauffindbares Leck hat. Die Maschinen sind geölt, kein sichtbarer
Rost am Stahl, die Matrosen motiviert, der Kapitän erfahren. Doch das blöde
Loch ist nicht zu finden. Und so läuft das Schiff langsam voll und geht unter und
so niemand kann präzise erklären, warum eigentlich. Man wird sagen, das Schiff
hatte nun einmal ein Alter erreicht, in dem das passieren kann. Und dann wird
die Akte geschlossen. Ära vorbei.
Doch warten wir mit dem Abgesang. Zwei Siege gegen Chile und
Australien, dann können die Spanier im Showdown gegen Brasilien mit einem Mal
alles wieder gutmachen. Dann werden es die „alten Recken“ noch einmal allen
gezeigt haben und mit einem Mal zum Favoriten aufsteigen. So schnell, wie die
deutsche Mannschaft zum Topfavoriten wurde, können das auch die Spanier
schaffen. Auch wenn die Hypothek der Spanier nun größer ist als der üblich
präweltmeisterschaftliche Pessimismus in Deutschland.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen